Professor Zamorra Nr. 927: Nacht über GALAHAD

Professor Zamorra Nr. 927: Nacht über GALAHAD


Als er die Lichter des Hafens sah, hörte Jamie Bulloch endlich auf zu beten. Er würde es schaffen, der Weg war nicht mehr weit. Dort vor ihm, leuchtend im Dunkel der schottischen Nacht, lag Invergordon, und mit ihm die Rettung. Dort warteten Menschen, die schliefen und nichts von dem Grauen wussten, was ihn in seinen Klauen hielt. "Seht ihr das, ihr Scheißer?", rief er über die Schulter. "Gleich geht's euch an den Kragen!" Die Anspannung ließ seine Stimme fremd und schrill klingen - fast so, als stamme sie nicht aus dieser Welt, die Jamie kannte. Die schweißnassen Hände fest um das Steuerrad geklammert, blickte der Seemann zur Seite und auf die Tür zur Brücke. Sie war noch immer verschlossen, und der Stuhl, den er zur Sicherheit noch davor geschoben hatte, stand unverändert an seinem Platz. Sie konnten nicht herein. Oder? Ein lautes Knurren, wie aus einem Dutzend Kehlen gleichzeitig, erklang draußen auf Deck. Noch bevor Jamie die Hände vom Steuerrad des Schiffes lösen und seine Flinte greifen konnte, prallten die untoten Leiber gegen die Tür - einmal, zweimal. Holz splitterte - und im nächsten Moment strömten zehn kreidebleiche Monster in den Raum. Jamies panischer Schrei ging in ihrem kehligen Jubel unter...


von Simon Borner, erschienen am 08.12.2009, Titelbild: Candy Kay

Rezension von Stefan (Lobo) Albertsen:


Kurzbeschreibung:
Im Hafen von Invergordon, dort wo der Cromarty Firth ins Meer gelangt, kommt es zu einem schweren Unglück. Lange Jahre nachdem ein Kreuzer der englischen Flotte während des Ersten Weltkriegs nur unweit davon entfernt zerstört wurde (davon berichtet ein Kapitel, das im Jahre 1915 spielt) rast ein scheinbar führerloser Fischkutter gegen einen Kai und richtet schwere Verwüstungen an.
Zwei Polizeibeamte - Evan Donovan und Ellen Glenister - untersuchen das Schiffsinnere, wobei sie auf die übelzugerichteten Überreste der Mannschaft stoßen.
Während Donovan sich übergibt, stößt Ellen auf ein nur noch entfernt menschenähnliches Wesen, dass mehr und mehr zu einer überdimensionalen Qualle verkommt und wird von diesem angegriffen. Donovan kommt seiner Kollegin zur Hilfe, doch als das Wesen vernichtet ist und er sie untersucht, weil sie wie tot daliegt, beißt sie ihm blitzartig ein Ohr ab.
Fast zeitgleich nimmt Florence Baudoin Kontakt zu ihrem alten Bekannten Professor Zamorra auf und unterrichtet ihn über das Verschwinden ihres Mannes Remy, der ebenfalls ein alter Freund des Meister des Übersinnlichen ist. Remy, der Wissenschaftler ist, hatte sich mit einem geheimnisvollen Würfelobjekt beschäftigt, das ihm ein mysteriöser Mann zuschickte, nachdem er diesem zuvor eine Absage hinsichtlich einer Zusammenarbeit hatte zukommen lassen. Für Zamorra ist sofort klar, dass dieser Würfel, der durchsichtig ist und der einen merkwürdigen, grünlichen Nebeldunst enthält, schwarzmagischer Natur ist. Er nimmt sich des Falles an und untersucht das Objekt in seinem Château, wo es zu einer Beinahe-Katastrophe kommt, bei der Zamorra fast getötet und der Würfel letztlich vernichtet wird. Aber zuvor konnte der Parapsychologe noch Wahrnehmungen aus dem Nebel, der lebt, aufnehmen und einen grenzenlosen Hunger verspüren.
Inzwischen treibt sich Gryf ap Llandrysgryf in Invergordon herum und lernt die hübsche Meteorologin Sarah Marshall kennen, die den Silbermond-Druiden zwar sehr sympathisch und attraktiv findet, seine Avancen jedoch ausschlägt, weil sie sich für einen Job bewerben will und deshalb anderes im Kopf hat. Das Mysteriöse jedoch ist, dass an der Stelle, von wo aus man ihr ein Bewerbungsgespräch versprochen hat, niemand etwas von ihr weiß. Schlimmer noch ist der Umstand, dass sie gleich nach Verlassen des Gebäudes entführt wird, was Gryf beobachtet. Er versucht die Polizei einzuschalten, doch die haben genug zu tun, jetzt wo zwei ihrer Leute tot und schwer verletzt sind (wir erinnern uns: Evan Donovan und Ellen Glenister). Gryf nimmt die Verfolgung mittels seiner telepathischen Kräfte auf und springt dorthin, wo Sarah sich befinden müsste. Er landet auf der Ölbohrinsel GALAHAD, die sich mitten im Cromarty Firth befindet. Dort findet er jedoch nicht nur Sarah, sondern auch Remy Baudoin und einige andere Wissenschaftler (unter anderem den Mathematiker und Zweifach-Nobelpreis-gekrönten Heinz H. Böffgen … what a name! X-D).
Sie alle wurden von Julian Morrow, einem schwerreichen Wissenschaftler, entführt, damit sie ihm bei der Durchführung eines Projekts helfen, in dessen Mittelpunkt der geheimnisvolle grüne Dunst steht, den Professor Zamorra schon kennengelernt hat. Der Silbermond-Druide kann Sarah mittels zeitlosem Sprung nach Invergordon bringen und kehrt dann nach GALAHAD zurück, um nach und nach die anderen Wissenschaftler zu befreien, doch zu seinem Pech wird er bereits erwartet und ausgeknockt. Teri Rheken sorgt sich schon bald um Gryf (sie kann ihn telepathisch nicht orten, was besorgniserregend ist) und sucht Zamorra auf, um ihn zu bitten, gemeinsam mit ihr nach dem 8000jährigen Herumtreiber zu suchen. Zamorra erklärt sich bereit und landet mit Teri in Invergordon, weil dort mittlerweile Zombies in einem Krankenhaus Amok laufen. Die Infektion, die Ellen Glenister befallen hat und bewirkte, dass sie Evan Donovan biss, breitet sich aus und immer mehr Menschen werden zu grotesken aber dennoch gefährlichen Quallenerscheinungen. Können Zamorra und Teri gegen sie bestehen und letztlich eine Verbindung nach GALAHAD und zu dem geheimnisvollen Dunst finden?


Meinung:
Ich möchte zunächst einmal etwas ganz Besonderes hervorheben: Dieser Simon Borner-Roman ist der bislang beste Simon Borner-Roman von allen, die ich bislang gelesen habe (hier eine kleine Auflistung: PZ's 907, 911, 919, 920, 923). Tatsächlich regten sich beim Erwerb des vorliegenden Bandes einige ungute Gefühle in mir, denn meine Erfahrungen mit Romanen dieses Autors waren nicht gerade die besten (eigentlich das genaue Gegenteil). Ich sah mich vor meinem geistigen Auge bereits kopfschüttelnd auf dem Sofa liegen oder auf meinem Lieblingssessel sitzen, wie ich mich durch jede einzelne der zu erwartenden 63 Seiten zu quälen hatte. ABER … das geschah nicht! Halt, halt, jetzt muss ich aber auch schon wieder eingreifen, bevor noch irgendjemand glaubt, dass ich "Nacht über GALAHAD" deswegen nun toll, sensationell oder einfach nur gut finde. Tue ich nicht. Ich habe nur angemerkt, dass Band 927 der für mich bislang beste Borner-Roman war.  Das lag zum einen daran, dass der Roman nicht langweilig ist. Halt Berichtigung: Er ist nicht so langweilig, wie die anderen o. g. Borner-Romane. Tatsächlich nimmt der Autor bereits von der ersten Seite an mächtig Fahrt auf (um mal bei seemännischen Ausdrücken zu bleiben) und kann das Tempo bis zum Ende hin halten. Es ist sogar so, dass ich den Roman auf den ersten 17 Seiten richtig unterhaltend fand und mir ausmalte, er könne zu einem kleinen Lesevergnügen werden.
Doch dann kam die Szene in der Professor Zamorra in seinem "Zauberzimmer" den Würfel untersucht. Ich bin mir jetzt nicht so ganz sicher, weil ich längst nicht alle PZ's gelesen habe, aber haben wir uns diesen Raum wirklich so vorzustellen, dass Roboterarme (ich betone: R-O-B-O-T-E-R-A-R-M-E) von der Decke hängen, damit sie bestimmte Objekte halten, heben und/oder drehen können? An diesem Umstand will ich mich auch nicht aufgeilen, aber was für einen Scan nimmt Zammy eigentlich an dem Würfel vor? Wozu setzt er seinen Dhyarra ein? Kann er mit dem Kristall plötzlich Scans durchführen (womit der andere Scan, den er da durchführt, vollkommen sinnlos wird!)? Ist es nicht so, dass der Dhyarra nur die Gedanken seines Benutzers Wirklichkeit werden lässt? Also ist es in diesem Fall doch so, dass Zamorra sich vorstellt, er würde einen Scan durchführen.
Auch nicht so wichtig (ebenso wie die Frage, weshalb William binnen eines Bandes zum Computerexperten wird und dem Professor so gekonnt zur Hand gehen kann), aber dann kam es zur geistigen Auseinandersetzung zwischen dem Meister des Übersinnlichen und dem Dunst und schlagartig war sie wieder da … die Erinnerung an die vorherigen Borner-Bände, in denen der Prof. mittels geistiger Anstrengungen gegen Dondolo, äh … Sorry Dandrono vorging und ihn zurückschlagen konnte (PZ 920), oder wo es zu einem (Mega-Hammer-)gewaltigen geistigen Duell zwischen ihm, Stygia, dem bemerkenswerten Tamoh Sierra Gilday (what a name Part II!) und dem mutierten Rachban kam (PZ 923).
Wow, wiedermal (wie ich bei meiner letzten Rezi eines Borner-PZ's ja schon befürchtet habe) greift der Autor in dem Moment, wo es für den Professor kritisch wird, auf diesen von ihm überaus schwammig beschriebenen Vorgang des "geistigen Duells" zurück und zieht sich damit, überhaupt nicht gekonnt, aus der Affäre. Trotzdem war ich noch guter Dinge, was da kommen mochte, doch leider verfiel Simon Borner wieder in jenen Trott, in dem er Nebenhandlung auf Nebenhandlung auf Nebenhandlung packte und somit die Story in einen sich dehnenden Lesekaugummi verwandelte.
Ich halte es ihm zugute, dass er Gryf und Teri aus der Versenkung geholt hat (obwohl ersterer ja in den Bänden 924 und 926 Auftritte zu absolvieren hatte), aber leider verzapfte er da einige Stellen in der Geschichte, die an "Ice Road Shockers" erinnerten, wo Passagen, die die Story aufgewertet hätten, einfach weggelassen wurden.
Urplötzlich steht Gryf bei der Polizei und berichtet, er habe die Entführung von Sarah Marshall beobachtet, obwohl während davon zu lesen war, nichts davon erwähnt wurde. Gryf bringt Sarah nach Invergordon, wo sie jedoch wieder von Morrows Männern geschnappt wird. Leider empfindet Simon Borner diesen Umstand als nicht wichtig genug, um ihn zu beschreiben. Stattdessen ist Sarah - Schwupps!!! - wieder auf GALAHAD und es wird am Rande erwähnt, dass sie ihren Häschern erneut in die Falle gegangen ist. Und dann … das darf doch nicht wahr sein … entfesselt der Autor ein weiteres "geistiges Duell". Diesmal auf GALAHAD! Der Dunst, der irgendwas ist, was keiner so recht beschreiben kann (selbst derjenige, der sich die Geschichte ausgedacht hat nicht), wird von Gryf, Teri und Zamorra, die ihre inneren Energien gegen das Böse einsetzen, … ja was eigentlich? Vernichtet? Zurückgetrieben? Oder sonstwas?
Über die Nebenhandlung in der Hölle, in welcher der Archivar Boldaan und der Irrwisch Gryntoil (mit den Irrwischen hat der Borner es!) die Hauptrollen spielen, lasse ich mich hier nicht allzu ausgedehnt aus. Nur drei Punkte noch: Vielleicht hätte der Autor auf diese m. E. etwas sinnfreie Nebenhandlung verzichten und dafür etwas mehr Zeit in das Entwickeln eines packenderen Endkampfes investieren können.
Zum zweiten wäre es auch mal ganz schön, wenn wichtige Details nicht einfach in einem Nebensatz abgehandelt werden, oder man als Leser bereits zu Beginn eines Abschnitts erfährt wo sich die Figuren aufhalten und warum sie da sind und was geschehen ist (die näheren Umstände bezüglich des Unfalls im Hafen zu Beginn des Romans, werden erst sehr viel später im Roman erklärt).
Und drittens: Muss derjenige, der einen zeitlosen Sprung durchführt, das Ganze nicht mit einer körperlichen Bewegung (zumeist einem Schritt) auslösen? Ich hatte bei der Lektüre des Romans den Eindruck, als würden Gryf und Teri auf diese Serienkonstanz vollkommen verzichten.
Alles in allem: Schön das Gryf und Teri mitgespielt haben, doch das alleine, ebenso wenig wie die ersten 17 wirklich kurzweilig geschriebenen Seiten und das hohe Tempo in der Handlung täuschen nicht darüber hinweg, dass dieser Simon Borner-Roman mal wieder ausgesprochen schwach ist. Und das, obwohl er - ich muss es nochmals betonen - der beste Borner war, den ich bislang gelesen habe!


Besonderheiten:
Ein Irrwische wird zum Korken zwischen den Dimensionen!


1 von 5 möglichen Kreuzen:
1 Kreuz


Kommentare zum Cover:

Also auch wenn diese Szene so nicht im Roman vorkommt, muss ich doch sagen, dass ich mir Teri Rheken so gerne vorstellen möchte (Lechz!). Sehr ansprechendes und atmosphärisches Cover!


Coverbewertung:
4 Kreuze