Gespenster-Krimi Nr. 595: Tage des Wahnsinns
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Es war ein Anblick von einer morbiden Faszination, die es mir unmöglich
machte, wegzusehen. Mein Ebenbild im Spiegel begann sich zu verändern,
sich aufzulösen. Die Gesichtshaut wurde braun und rissig, zitterte wie
ein welkes Blatt in einer steifen Herbstbrise. Zuerst begriff ich gar nicht
was ich sah. In meiner zitternden Linken hielt ich immer noch den Rasierpinsel,
in einer erstarrten, nur halb zu Ende geführten Bewegung. Mein Mund
war zu einem stummen Schrei geöffnet. Hinter den Lippen sah ich
schwarzbraune Zähne, die zusehends verfielen. Langsam, ganz langsam
begann sich die welke Haut abzulösen, bis ich glaubte den blanken Knochen
darunter zu sehen. Mein Spiegelbild wurde zu einer Fratze, dann zu einem
Totenschädel, meine Augen krochen in die Höhlen zurück und
schienen mich satanisch anzufunkeln. Gleichzeitig setzte ein feines Singen
ein, ein hoher, schriller Ton, der von überall her zu kommen schien,
sich zu einem hellen Kreischen steigerte und mit einem peitschenden, splitternden
Knall abbrach.
von Robert Craves, erschienen am 19.03.1985
Rezension von
Stefan (Lobo)
Albertsen:
Kurzbeschreibung:
Die Geschichte beginnt für Robert Craven mit einem gehörigen Schock
in der Morgenstunde. Als der Hexer beim Rasieren in seinen Spiegel blickt,
entdeckt er nicht sein eigenes Konterfei, sondern eine Schreckensvision,
in der es um eine Furcht erregende Skelettfratze und seine Geliebte Priscylla,
um die sich Howard und Dr. Gray kümmerten und sie an einen geheimen
Ort verfrachteten, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die Hexe Lyssa
in ihr existierte (GK Nr. 575). Es
gibt für Robert nach dieser Begebenheit kein Halten mehr. Getrieben
von Sorge und einem merkwürdigen Gefühl, welches ihn wie ein Kompass
leitet, reist der Hexer nach Lowgreen, wo es das Institut des Mr. Baltimore
gibt, in welchem Geistesgestörte beherbergt und behandelt werden. Robert
trifft in Lowgreen auf Howard und Rowlf, die ihm folgten, um ihn von seinem
Tun eher abzuhalten, denn zu unterstützen. Dies gelingt ihnen aber nicht
und so beschließen sie sich zunächst in einem Gasthaus des Ortes
einzuquartieren, was in nachtschlafender Zeit beinahe zu einer Katastrophe
führt. Man hält sie nämlich für Diebe und ein aufgebrachter
Pöbel, der den Wirt des Hauses unterstützen will, macht sich schon
bereit für eine herzhafte Lynchung, was Howard und Rowlf jedoch verhindern
können. Nachdem alle Unklarheiten beseitigt sind und es in der Schankstube
des Hauses zu einem herzhaften Mitternachtsumtrunk kommt, entwischt Robert
seinen beiden Begleitern und schleicht in Richtung des Hauses von Mr. Baltimore,
wo sich bereits einiges ereignet hat. So ist ein rätselhafter Mann namens
Sean, der ebenfalls im Gasthaus Quartier bezogen hatte, dorthin unterwegs
in geheimer Mission. Im Inneren des Hauses findet ein wahres Drama ab. Priscylla
findet sich als Mittelpunkt von Geschehnissen wieder, die sie anscheinend
mit Hilfe zweier Männer Acorn und Santers in Gang gesetzt hat. Doch
leider kann sie sich nicht daran erinnern. Es geht darum ein menschliches
Opfer für einen Gott oder Götzen namens Til ar min darzubieten.
Als sich herausstellt dass dieses Opfer ihre persönliche Betreuerin
Mrs. Sunday ist, und dass sie selber ihr einen Dolch in den Leib rammen soll,
will Pri aussteigen, doch Lyssa, die die wahre Initiatorin dieses Plans ist,
übernimmt die Kontrolle. Inzwischen trifft Robert auf Sean und erkennt
in ihm den geheimnisvollen Mann wieder, der ihnen in Durness half, und in
den der Geist seines Vaters gefahren war (GK
Nr. 587). Offensichtlich ist Sean
nicht mehr von Andara erfüllt, gibt sich aber nicht minder mysteriös,
als damals in Durness. Die beiden Männer beschließen vorerst
zusammenzuarbeiten und ins Innere von Baltimores merkwürdiges Haus
vorzudringen. Dieses gelingt auch, während Howard und Rowlf unter der
Führung des ortsansässigen Kaufmanns Richardson folgen. Im
Kellergewölbe des Hauses kommt es zum Showdown, in welchem Sean durchdreht
und Priscylla bzw. Lyssa ermorden will, was Robert zu verhindern versucht,
der gegen den hünenhaften Mann keine Chance zu haben scheint. Im
allerletzten Augenblick erscheint jedoch Mr. Baltimore, der in Wirklichkeit
Dr. Gray ist und erschießt den Besessenen. Die Opferung von Mrs. Sunday
an Til ar min wird verhindert und Santers und Acorn werden ausgeschaltet.
Robert steht enorm unter dem Eindruck der Geschehnisse und beschließt
Pri, die nun apathisch dasitzt mit nach London zu nehmen und sich von nun
an persönlich um sie zu kümmern.
Meinung:
Herzlich Willkommen im achten Hexer-Roman der Gespenster-Krimi-Reihe! Man
könnte nun annehmen ich würde, wie bei den vorangegangenen Romanen
in eine einzige Lobhudelei ausbrechen, aber dem ist nicht so. Tatsächlich
ist der Roman überdurchschnittlich und spannend, aber leider fehlt mir
hier so ein wenig der rote Faden. Okay, Robert hat eine Vision von Pri und
nimmt an, dass sie in Schwierigkeiten ist. Er bricht auf, um ihr zu helfen
und seine Hexer-Kräfte weisen ihm dabei den Weg. Doch dann wird es ein
klein wenig verwirrend und schwer nachvollziehbar. Pri, oder besser Lyssa,
hat zwischenzeitlich zwei Mitbewohner im Baltimore-Haus auf ihre Seite ziehen
können und eine Art von magischem Zirkel begründet, der einem Wesen,
einer Kreatur oder was auch immer (???) namens Til'ar'min ein Opfer zu bringen
gedenkt. Gleichzeitig strolcht Sean, der in einem vorherigen Band auftrat
und als Marionette Roderick Andaras fungierte auf und will - wie Robert auch
-in dieses Haus. Er gibt sich so etwa in der Mitte der Geschichte als Scotland
Yard-Beamter einer Sondereinheit aus, doch später greift er Pri bzw.
Lyssa an und will sie töten, was dann sein eigenes Ende bedeutet.
Nähere Hintergründe zu Sean oder dessen wahrer Identität oder
aber dem Grund weshalb Gray hier als Baltimore auftritt oder wer oder was
Til'ar'min ist, gibt es hier nicht. Und so haben wir einen spannenden Roman,
mit unheimlichen Begebenheiten (ach ja, eine rätselhafte Rattenfrau,
von der aber zum Ende der Story auch nichts mehr zu lesen ist, gibt es auch
noch), vielerlei Zutaten für einen gelungenen Horror-Roman und einer
Situation am Ende, die wirklich interessant erscheint (Robert nimmt Pri mit
sich, um sich um sie zu kümmern), doch letztlich bleibt irgendwie ein
leicht schaler Nachgeschmack. Also so vollkommen 100%ig gefällt mir
dieser letzte Beitrag Robert Cravens im Gespenster-Krimi nicht.
Besonderheiten:
Letzter Hexer-Roman in der Gespenster-Krimi-Reihe.
Priscylla wird von Robert nach London geholt.
Robert rasiert sich von nun an nicht mehr (aus Angst vor Spiegeln) und
läßt sich einen Bart stehen.
Titelbild:
Les Edwards
4 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Tja, das Cover, das Cover.... Was soll ich dazu schreiben? Es ist
allerhöchstens durchschnittlich, gefällt mir persönlich nicht
so recht und passt nicht zu einem Roman, der den Geist Lovecrafts weitergeben
will. Also ich gebe mal
Coverbewertung:
Rezension von
Olsen:
Kurzbeschreibung:
Ich erlaube mir, auf eine Inhaltsangabe zu verzichten. Das liegt daran, dass
die Handlung dieses Romans leider etwas verworren ist und Lobo bereits eine
wirklich gelungene Zusammenfassung verfasst hat, der ich vollinhaltlich und
vorbehaltlos zustimme.
(Anmerkung des Webmasters: Dies sollte aber bitte nur eine Ausnahme sein,
da sonst viele andere nur noch Rezis zu Romanen schreiben würden, bei
denen bereits eine Inhaltsbeschreibung vorhanden ist. Das Ganze hätte
im Endeffekt eine eher negative Auswirkung auf die Vielfalt der Bewertungen.
Da ich aber in dem Punkt mit der extrem komplexen Handlung übereinstimme,
möchte ich das als Ausnahme gelten lassen)
Meinung:
Nicht vorbehaltlos zustimmen kann ich leider seiner Meinung zu diesem Band.
Sicherlich: Er ist spannend wie es bei den HEXER-Romanen halt so
üblich ist. Aber meines Erachtens achtet er zu wenig auf die serieninterne
Logik. Warum ist Dr. Gray, der sich in Band 575 (Die Hexe von Salem)
als Howards Anwalt noch um den ganzen bürokratischen Kram mit Robert
Cravens Erbe kümmerte, plötzlich der Leiter eines Sanatoriums?
Warum nennt er sich nun Dr. Baltimore? Wer sind Santers und Acorn, die im
Keller eine Beschwörung durchführen wollen? Wer ist der Dämon
oder Gott oder Götze oder weiß der Geier was, denn die beiden
beschwören? Wie sieht die Therapie in dem Sanatorium aus oder werden
die Kranken dort einfach nur weggesperrt? Welche Rolle spielt Sean? War er
in Band 587 (Bücher, die der Satan schrieb) noch ein
Bürger von Durness, in dessen Körper der Geist von Roberts Vater
gefahren ist, so gibt er sich nun als Scotland-Yard-Beamter aus, was aber
wohl auch nicht so ganz der Wahrheit entspricht. Oder etwa doch?
Schließlich rühmt sich Robert Craven in diesem Band wieder seiner
Fähigkeit, sofort zu erkennen, ob jemand lügt. Warum wollte Sean
Priscylla töten? Was hatte es mit der eigenartigen Rattenfrau und dem
ebenfalls aufgetauchten Monster mit dem Eberkopf auf sich?
Freilich, es ist nicht möglich in einem 64-Seiten-Roman alle Fragen
zu beantworten. Das, was mir hier nicht gefallen hat, ist aber die Tatsache,
dass sich Robert Craven einen Großteil dieser Fragen noch nicht einmal
stellt! Und da Hohlbein zwischen diesem letzten Hexer-Band in der
Gespenster-Krimi-Reihe und dem ersten Band der eigenständigen Hexer-Reihe
einen Zeitsprung von mehreren Jahren vorgenommen hat, befürchte ich,
dass diese Fragen auf immerdar ungelöst bleiben ... und vielleicht einfach
nur dazu dienen sollten, einen geheimnisvollen Roman zu ermöglichen.
Aufgrund all dieser Ungereimtheiten wäre ich geneigt, lediglich ein
Kreuz zu geben. Da der Roman aber dennoch wieder sehr spannend geschrieben
ist und einen so plättet, dass man sich all diese Fragen vielleicht
tatsächlich nur stellt, wenn man dazu gezwungen ist (z.B. weil man eine
Rezi schreiben will), gibt es einen Hexer-Bonus von zwei Kreuzen. Macht in
der Summe also 3 Kreuze.
Besonderheiten:
Auch hier verweise ich auf Lobos Ausführungen!
3 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Soll das das Sanatorium sein? Soll der Ameisenbär darüber etwa
das Monster mit dem Eberkopf sein? Kommt dieses Monster in dem Roman gar
nur deshalb vor, weil der Maler einen schlechten Tag hatte? Man sieht: Auch
hier häufen sich die Fragen. Wie auch immer, das Haus gefällt mir,
weil es zum Hexer passt. Das Monster leider nicht. Deshalb: 2 Kreuze.
Coverbewertung:

Das gleiche Cover wurde spiegelverkehrt auch für den Vampir-Horror-Roman
Nr. 420 verwendet.