Raven Nr. 6: Das Phantom der U-Bahn
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Der Himmel war mit grauen Wolken verhangen. Es war nicht kalt, aber die
Straßen glänzten vor Nässe, und die gurgelnden Ströme
in den Rinnsteinen schwollen langsam, aber beharrlich an. Die Abflüsse
hatten es längst aufgegeben, das unablässig vom Himmel
nachstürzende Wasser aufnehmen zu wollen. London schien allmählich
in einem grauen, nebeligen Ozean zu versinken. Lady Cynthia Gifford
schüttelte entschieden den Kopf und hob rasch die Hand, als ihre Tochter
den Arm nach dem Türgriff ausstreckte und aussteigen wollte. "Kind",
sagte sie geduldig, "du kannst doch unmöglich dort hinausgehen wollen."
Zwischen Hillarys hübschen blonden Brauen entstand für den Bruchteil
einer Sekunde eine missbilligende Falte. Natürlich wusste sie, was sich
für eine Tochter aus so gutem Hause wie dem ihrer Eltern gehörte,
und natürlich wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, ihrer Mutter
in Gegenwart eines Dienstboten offen zu widersprechen. Aber sie wusste auch
genauso gut, dass Coco hinter der ersten Treppe auf sie warten und stinksauer
werden würde, wenn sie ihn versetzte. "Das bisschen Regen wird mich
schon nicht gleich umbringen", sagte sie ruhig. "Es sind doch nur ein paar
Schritte." Lady Cynthia seufzte hörbar, wandte den Kopf und sah durch
den strömenden Regen zu der breiten, steil in die Tiefe führenden
Treppe hinunter. Das blaue Schild mit dem großen weißen U und
der stilisierten Treppe darauf war hinter den Regenschleiern kaum zu erkennen.
"Es geht nicht um den Regen", antwortete sie, wenn auch in einem Tonfall,
der deutlich machte, dass sie um die Nutzlosigkeit ihrer Bemühungen
wusste, "sondern um die schreckliche Untergrundbahn."
von Wolfgang Hohlbein, erschienen am 04.11.2003, Titelbild: Monica Pasamon
Rezension von
Florian
Hilleberg:
Kurzbeschreibung:
Raven bekommt von Inspektor Card und dem englischen Diplomaten Sir Anthony
Gifford den Auftrag das Verschwinden mehrerer Menschen zu klären. Die
Personen sind in den U-Bahn-Schächten spurlos verschwunden. Auch die
Tochter des Diplomaten war darunter. Bevor Raven mit seinen Ermittlungen
richtig beginnen kann tauchen einige der Verschwundenen wieder auf, unter
ihnen Hillary Gifford. Doch die Vermissten sind auf eigenartige Weise
verändert und verschwinden auch wieder, wobei ein grünes Monster
mitgeholfen hat. Ein Gangster wurde dabei von dem Ungeheuer bestialisch ermordet.
Im Zimmer von Hillary findet Raven einen Steinen, der einen magischen Einfluss
auf ihn auszuüben scheint. Der Detektiv steckt den Stein ein. Kurz darauf
erhalten er und Inspektor Card die Nachricht, dass ein U-Bahnzug entführt
wurde und dreihundert Menschen vermisst werden. Raven und Card dringen in
die verlassenen U-Bahn-Schächte ein. Vor einer massiven Steinmauer scheint
ihr Weg zu Ende zu sein. Doch für Raven scheint dieses Hindernis auf
mysteriöse Weise nicht zu existieren. Der Detektiv vermutet, dass der
Stein die Schuld trägt. Als er Card an die Hand nimmt und den Stein
berührt, können beide die Mauer ungehindert passieren. Dahinter
werden beide von Zombies angegriffen, doch bevor sie unterliegen greift der
Urheber des Grauens ein. Einer der Vermissten in den der Geist einer uralten
Wesenheit eingedrungen ist. Diese Wesen, die Thul Saduun, haben die Erde
lange vor den Menschen bevölkert und wurden von Magiern, aus denen
später die Menschen hervorgingen, ausgelöscht. Doch einige der
Thul Saduun überlebten und wandelten unter den Menschen. Nun will die
Wesenheit Rache an den Nachkommen der Magier nehmen. Das grüne Monster
ist ein Ghoul, der ihm dabei helfen soll. Eine Wolke erscheint, aus der
Lichtstrahlen schießen, die die Lebenskraft der Menschen absorbieren
soll. Raven gelingt es den magischen Stein zu vernichten, wodurch das Wesen
die Kontrolle über die Wolke verliert und geschwächt ist. Durch
einen Trick gelingt es Raven, das Wesen in die Schusslinie der Strahlen zu
locken, woraufhin das Monster vernichtet wird. Der Ghoul und die Zombies
sind verschwunden.
Meinung:
Der Roman fängt spannend und sehr vielversprechend an, obwohl wieder
einmal lauter Gangster auftauchen, so wie man sich im Heftroman die Gangster
nun mal vorzustellen hat. Allerdings ist die Rolle der Gangster nur in so
weit tragend, wenn ich die Handlung sehr detailliert beschrieben hätte.
Also nicht wundern, wenn ich in der Kurzbeschreibung kaum Ganoven erwähnt
habe. Der Ghoul ist eine nette Einlage und bringt dem Roman ein wenig Action.
Die Story, um die Thul Saduun finde ich etwas haarsträubend, schon allein
deswegen, weil ich mich mit der Idee nicht anfreunden kann, dass die Menschen
von Magiern abstammen. Irgendwie wiederspricht sich der gute Hohlbein
nämlich, wenn er schreibt, die Thul Saduun bevölkerten die Erde
lange bevor Menschen erschienen. Andererseits seien die Magier deren Vorfahren.
Was waren denn die Magier? Urmenschen? Auf jeden Fall bin ich schon sehr
gespannt auf die nächsten Hefte.
Besonderheiten:
Erster Auftritt der Thul Saduun.
Die Magier von Maronar werden zum ersten Mal (wenn auch nicht namentlich)
erwähnt.
Dieser Roman erschien bereits als Gespenster-Krimi Band
Nr. 503
unter dem Pseudonym Henry Wolf.
Dieser Roman erschien bereits als Dämonen-Land
Band
142.
3 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Eines der besseren Raven-Cover, wenn auch dieses mit dem Roman kaum etwas
gemein hat. Allerdings weist der stilisierte Totenschädel vor der U-Bahn
eine gewisse Symbolik auf. Und auch sonst ist dieses Bild gar nicht schlecht
gezeichnet worden.
Coverbewertung:
Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Michael Schick:
Das Titelbild wurde auch für den Professor Zamorra Roman Nr. 492
verwendet: