Vampir-Horror-Roman Nr. 319: Das Grauen kam nach Scaffold
House
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Roger Parkinson sah die junge Frau zum ersten Mal in Dr. Harrods Wartezimmer.
Sie blätterte in einem Magazin und machte ein Gesicht, als missbilligte
sie das Gedruckte. Ihr Schmollmund amüsierte ihn, aber nur für
wenige Sekunden, dann erkannte Roger, daß die Frau ungewöhnlich
schön, reizvoll und begehrenswert war, ein Geschöpf, das er immerzu
hätte anstarren und bewundern können. Natürlich tat er nichts
dergleichen, sondern trat ans Fenster, um durch eine Öffnung zwischen
zwei Geschäftshäusern auf die belebte Oxford Street zu blicken.
Doch sein Pulsschlag hatte sich beschleunigt und er war sich des Umstandes
bewusst, daß er den Raum mit dem wohl aufregendsten Wesen teilte, das
ihm jemals unter die Augen getreten war. Ihm fiel Mandy ein. Er war seit
zwei Jahren mit ihr befreundet. Sie bedeutete ihm nicht viel, ausgenommen
im Bett, aber sie war attraktiv und wurde von seinen Freunden bewundert,
deshalb hielt er an ihr fest, wenn auch ohne Begeisterung oder inneres
Engagement. Seine Freunde! Sie stammten wie er aus Limehouse, aus einem tristen
Arbeiterbezirk. Es waren Jungens, deren Protesthaltung gegen eine Gesellschaft,
die ihnen nur mäßige Zukunftschancen einräumte, immer wieder
zu Aggressionen führte, zu Ausbrüchen von fast kriminellem Charakter.
von Cedric Balmore, erschienen 1979, Titelbild: Vicente Segrelles
Rezension von
Adee:
Kurzbeschreibung:
Der in Armut aufgewachsene Roger Parkinson hat seinen Vater nie kennengelernt,
dafür nur den Hass seiner kürzlich verstorbenen Mutter auf den
Mann geerbt. Er hat einen miesen Job und muss sogar ein Zimmer seiner
schäbigen Wohnung untervermieten, um über die Runden zu kommen.
Da muss er sich bei einem Notar einfinden. Dort begegnet er der
wunderschönen Julia, eine Frau, von der der Habenichts nur träumen
kann. Aber das ändert sich schlagartig, als der Notar ihm und Julia
eröffnet, dass sie die Erben des Riesenvermögens von Rogers bei
einem Autounfall verstorbenen Vaters sind.
Julia stellt sich als die Geliebte von Rogers Vater heraus, die zusammen
mit ihm auf seinem Landsitz Scaffold House gelebt hat. Julia ist in das Leben
als Gutherrin verliebt und macht keinen Hehl aus ihrer Geldgier. Bei ihrer
Ankunft werden die beiden um ein Haar von einem herabstürzenden Wasserspeier
erschlagen; eine Flasche Whiskey erscheint vergiftet. Julia bricht zweimal
zusammen, als sie den Geist von Rogers totem Vater zu sehen glaubt.
Julia schlüpft zu Roger ins Bett. Roger ist begeistert; den Hass auf
seinen unbekannten Vater hat er fast schon abgelegt. In der gleichen Nacht
erscheint der Geist des Vaters dem alten Butler des Anwesens und zwingt ihn
zum Selbstmord. Der Geist murmelt etwas von einem Fluch des Hauses, der ihm
verhilft seinen Tod zu rächen, dann erklärt er den Plot. Julia
hat ihn aus Geldgier umgebracht und will nun Roger umbringen.
Julia verlässt Scaffold House fluchtartig und begegnet sofort dem
schmierigen Bob, der bei dem Mord mitgeholfen hat. Während sie Erpressergeld
holt, bringt der Geist Bob um. Julia geht zu einem Dämonenforscher und
kauft sich ein Pfahlkreuz, um sich gegen den Geist zu wehren. Dann lockt
sie Roger aufs Dach von Scaffold House, um ihn herunterzuschubsen und das
Erbe für sich zu beanspruchen. Der Geist erscheint ein letztes Mal und
lässt sie vom Dach stürzen. Aber Roger rettet sie und liefert sie
der Polizei aus, die sie in der Zwischenzeit als Mörderin ermittelte.
Meinung:
Einer der vielen Romane von Cedric Balmore alias Hans E. Ködelpeter,
der über 40 Beiträge zum VHR geliefert hat. Fasst man die Kritik
kurz, reichen die Gruselmotive hier nicht einmal für einen schwachen
Gaslichtroman. Die Handlung plätschert ohne jeden dramatischen
Höhepunkt vor sich hin, die Szenen mit dem Geist lassen aber auch jede
Atmosphäre vermissen. Das macht allerdings keinen großen Unterschied,
denn das übernatürliche Element ist für die Handlung völlig
unerheblich; das würde auch alles ohne Geist funktionieren.
Näher betrachtet sind Erzählstil und Charakterisierung gut entwickelt,
das ist von der Psychologie der Figuren besser und realistischer als viele
vergleichbare Gruselromane. Nur als Gruselroman ist es ein absoluter Reinfall,
langweilig und auf schon ärgerliche Weise harmlos. Also mit anderen
Worten ein typischer VHR aus dieser Phase der Serie, die zu diesem Zeitpunkt
nur noch ein Schatten ihres Anfangs war.
0 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Im Hintergrund ist ein Haus zu sehen. Immerhin. Auch wenn ich nicht der Ansicht
bin, dass das Titelbild grundsätzlich etwas mit dem Inhalt zu tun haben
muss, ist das Cover schon arg beliebig.
Coverbewertung:
Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Michael Schick:
Das Motiv des spanischen Künstlers Vicente Segrelles wurde in dessen
Heimat auch schon auf dem Cover des Magazins MORBO Nr. 5 abgebildet: