Vampir-Horror-Roman Nr. 217: Gespensterterror

Vampir-Horror-Roman Nr. 217: Gespensterterror


Das Fernsehprogramm war recht langweilig gewesen, und als nun das Bild auch noch zu flackern begann, drückte Semery Bucquoy auf die Fernbedienung und schaltete das Gerät ab. Er sah zu dem Lämpchen, das als Fernsehleuchte diente - ein eigentlich geschmackloses Segelschiff aus durchsichtigem Material, den "Fliegenden Holländer" darstellend. Er hatte es vor Jahren bei einem Ferienaufenthalt in den Niederlanden als Souvenir erstanden. Es wirkte deplaziert unter all den wertvollen Gegenständen im Haus. Aber Bucquoy würde es dennoch niemals wegräumen oder gar wegwerfen, denn es war Henriette gewesen, die es damals gekauft und als Erinnerungsstück mitgenommen hatte. Nun zuckte auch dieses kleine Lämpchen, wie eine arme Seele, die am verlöschen war, sich wieder aufraffte, leuchtend wiedergeboren wurde und dann urplötzlich in Dunkelheit versank. Nach einigen Sekunden begann die Glühbirne im "Fliegenden Holländer" wieder zu flackern. Sie beleuchtete das transparente Material von innen, wieder ruhig, in voller Stärke. Semery Bucquoy beobachtete das merkwürdige Spiel von Licht und Dunkel in der Fernsehleuchte und fragte sich, was diese Stromschwankungen hervorgerufen hatte. Eigentlich kam es selten vor, daß sich derartige ausfälle ereigneten, höchstens bei einem Gewitter. Aber davon war nichts zu bemerken. Burcquoy stand auf, ging ans Fenster und schaute in den Hof hinaus. Der Hund am Tor lief unruhig hin und her, rasselte dabei mit der Kette und winselte leise. Drüben, im Trakt, wo die Arbeiter wohnten, waren alle Fenster hell erleuchtet, als ob sich die Leute davon überzeugen wollten, daß alles wieder einwandfrei funktionierte.


von Georges Gauthier, erschienen 1977, Titelbild: N. Lutohin
Rezension von Adee:


Kurzbeschreibung:
Weingutsbesitzer Semery Bucquoy hat den Unfalltod seiner Frau nie überwunden. Im Gegensatz zu seinem Schwager Bonhour, dessen Frau ebenfalls bei dem Flugzeugabsturz starb. Er will sich erneut verloben. Bucquoy quälen Schuldgefühle, vor allem gegenüber seinem toten Schwiegervater Pluissac, dessen Familie das Gut aufbaute. Da erscheint ihm eines Nachts zuerst der schwebende Geisterkopf seiner toten Frau und danach der Schwiegervater. Bucquoy erleidet einen Nervenzusammenbruch.
Bonhour und seine Verlobte Jessica kommen. Bonhour gewinnt den Eindruck, dass hier eine finstere Verschwörung im Gange ist. Er trifft einen mysteriösen Touristen, der Frankreich bereist und an Geister glaubt. Jessica hat bei ihrer Ankunft beinahe einen Autounfall an einer Stelle, an der es spuken soll, und begegnet dem Schäfer Douve, den sie zuerst für einen Teufel hält. Dann begegnet Bonhour dem Geist seiner toten Frau, während Jessica einem schwarzen maskierten Geisterreiter über den Weg läuft.
Jessica ruft den Schriftsteller und Geisterexperten George Gauthier zu Hilfe. George hat schnell eine Erklärung. Man will Bucquoy und Bonhour in den Wahnsinn treiben, indem man Gespenster erscheinen lässt. Denn amerikanische Atomwissenschaftler haben zufällig mit elektrischen Feldern Geistergestalten materialisieren lassen.
Und so entpuppt sich der Schwarze Geisterreiter als Pluissacs illegitimer Sohn, der Tourist, der die Geduld verliert und Bonhours Selbstmord vortäuschen will. Er ist amerikanischer Atomwissenschaftler, hat die Gespenstermaschine geklaut und will das Erbe. Gauthier vertreibt ihn, und er stirbt bei einem Autounfall an der besagten Stelle.


Meinung:
Das ist der erste Roman in der Subserie um den französischen Geisterjäger Georges Gauthier, der hier zugleich der Autor des Romans ist. Verfasst von Walter G. Mauckner, der auch unter dem Pseudonym Waldo Marek schrieb und Kommissar X als George Burton -, hat es die Serie auf sieben Bände gebracht. Allerdings gibt es auch serienunabhängige Romane unter dem George Gauthier-Namen.
Erzählt in einem bedächtigen, atmosphärischen Stil, der viel wert auf die Psychologie der Figuren legt, baut der Autor eine zuerst durchaus unheimliche wenn auch schleppende Geschichte auf, die sich bewusst von dem üblichen Dämonenreigen und der üblichen Action unterscheidet. Das ist ja grundsätzlich nicht schlecht, aber mit dem Auftritt des Geisterdetektivs fällt die Geschichte in sich zusammen. Nach seitenlangem Debattieren über die okkulte Geisterwelt und einem Schäfer mit scheinbar übernatürlichen Heilkräften endet alles wie eine schlechte Scooby Doo-Episode. Die Geister sind gefakt vom bösen Erbschleicher. Der Plan hätte so toll geklappt, aber dann mussten ja die verdammten Kids ihre Nase reinstecken und alles versauen.
Die Einführung des Helden nach fast zwei Dritteln der Geschichte wirkt angetakert, der plötzliche Perspektivwechsel zum Ich-Erzähler ungeschickt und die Figur bleibt langweilig und unentwickelt. Warum ist er Autor und Geisterexperte? Wer weiß? Warum stürzt er sich ins Abenteuer? Weil er der Held ist. Wieso ist ihm sofort klar, welche bizarre Erfindung hinter dem bösen Plan steckt? Weil es der Autor für eine gute Idee hält.
So bleibt ein stilistisch gut erzählter aber letztlich alberner Roman, der seinerzeit immerhin nirgendwo anecken konnte, weil es weder Sex noch Gewalt oder gar irgendwelche Horrorelemente gibt. Damit reiht er sich nahtlos in die Folge betont harmloser und langweiliger Pseudohorrorromane und Frauengrusler wie Barnabas der Vampir ein, die den VHR zu dieser Zeit dominierten.


Besonderheiten:
Erster Roman um den Geisterdetektiv Georges Gauthier


0 von 5 möglichen Kreuzen:
0 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Das Titelbild bezieht sich auf eine Szene im Roman. Gemalt von Lutohin. Entweder man mag Lutohin, oder man mag ihn nicht. Ich mag ihn nicht.


Coverbewertung:
1 Kreuz