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15.September 1975 - Als Bettina Neumeister die Pistole aus der Lade holte
lächelte sie. Rasch überzeugte sie sich davon, daß die Waffe
geladen war. Sie nickte zufrieden und legte die Pistole auf den Tisch.
Flüchtig blickte sie sich im Zimmer um. Es war düster. Die Wände
waren mit dunklen Seidentapeten bedeckt, und die Eichenmöbel waren schwarz
und wuchtig. Auf einem kleinen Tischchen stand eine hohe Vase, in der
fünfundvierzig dunkelrote Rosen steckten. Niemand hätte Bettina
Neumeister älter als dreißig geschätzt. Dabei feierte sie
heute ihren fünfundvierzigsten Geburtstag. Sie sperrte die große
Eichentür ab und ließ den Schlüssel auf den Parkettboden
fallen. Dann ging sie zu den hohen Fenstern und überzeugte sich davon,
daß sie verschlossen waren. Gemächlich zog sie die schweren
Brokatvorhänge zu. Sie wandte sich langsam ab und blieb einen Augenblick
nachdenklich stehen. Schließlich knipste sie die Stehlampe an und setzte
sich nieder. Bettina Neumeister schloß die Augen und überlegte,
ob sie nichts vergessen hatte. Sie war eine hochgewachsene Frau, und sie
trug ein hautenges Schwarzes Abendkleid, das ihr Schultern und die Ansätze
ihrer vollen Brüste unbedeckt ließ. Das silbergraue Haar hatte
sie aufgesteckt. Ihr rundes Gesicht wie keine Falten auf, und die großen
braunen Augen standen weit auseinander. Zögernd schlug sie die Augen
auf und hob den rechten Arm. Einige Sekunden starrte sie den Silberring an,
den sie am Ringfinger trug. Er wies eine seltsame Verzierung auf. Der
erbsengroße Stein leuchtete dunkelrot. Er schien zu pulsieren. Das
läuten des Telefons riß sie aus ihren Gedanken. Sie streckte den
linken Arm aus und hob den Hörer ab. "Ich will mich verabschieden, Bettina",
sagte eine tiefe Männerstimme.