Silber-Krimi Nr. 989: Die Teufelswürmer des Dr. Morales
Silber-Krimi Nr. 989: Die Teufelswürmer des Dr. Morales


So betrunken war Rico noch nie. Dabei geschah es nicht selten, daß er seinen Kummer über seine Armut in Kaktusschnaps ersäufte, aber meistens war er dann wenigstens noch in der Lage, die wenigen Meter von der Bodega bis zu seiner Adobehütte zielstrebig zurückzulegen wie ein alter Gaul, der den Stall wittert. Ausgerechnet heute hatte er totale Mattscheibe, und so sah er den Erdspalt nicht, der sich urplötzlich vor seinen Füßen auftat. Er spürte nur, daß sein rechtes Bein keinen Halt mehr fand, er das Gleichgewicht verlor und in einen Erdriß geriet. Rico stieß einen Fluch aus und versuchte, herauszukriechen und wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Es gelang ihm, den rechten Fuß nach oben zu schwingen, doch als er den linken nachstemmen wollte, hielt ihn etwas fest. Zunächst war es nur wie ein Zupfen an seiner Leinenhose, doch dann gruben sich spitze Zähne in seine Wade, und er wurde schlagartig nüchtern. Ein rasender Schmerz durchzuckte ihn. Er stieß einen erstickten Schrei aus. Angst und Entsetzen verliehen ihm ungeahnte Kräfte. Vor sich sah Rico die ebene Fläche des Gehwegs, der aus festgetrampeltem Lehmboden bestand. Keine zwanzig Meter weiter stand die Bruchbude, in der er mit seiner Familie hauste. Der Schmerz trieb ihm Tränen in die Augen. Halbblind blinzelte er zu der Lehmhütte hinüber. Sie schien zu wackeln und drohte einzustürzen, aber es war wohl nur der Schmerz, der ihm dieses Trugbild vorgaukelte. Plötzlich hatte Rico das Gefühl, als rasten die Zähne einer Kreissäge durch Fleisch und Knochen seines Beines, und dann war er frei. Mit letzter Kraft zog er sich hinauf auf den Gehweg, den blutenden Beinstumpf hinter sich herschleppend. Keuchend blieb er am Rand der Erdspalte liegen. Er fand keine Erklärung dafür, wie sie entstanden war. Sein Blick irrte nach unten. Er sah Rohre und Kabel der unter der Erdoberfiäche verlegten Versorgungsleitungen. Was er dann erblickte, war kein Produkt seines benebelten und von Schmerz gepeinigten Gehirns. Es war grausige Wirklichkeit. Rico starrte wie hypnotisiert in grünlich schillernde Augen, auf das haifischähnliche Gebiß.


von Bob Fisher, erschienen am 13.03.1972, Titelbild: R.S. Lonati

Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Michael Schick:
Das Lonati-Cover des Silber-Krimis Nr. 989 wurde auch noch auf dem Titelbild des Larry Brent Romans Nr. 83 verwendet:

Larry Brent Nr. 83: Morkans Horror-Würmer