Silber-Grusel-Krimi Nr. 54 (NA): Lebende Leichen
Silber-Grusel-Krimi Nr. 54 (NA): Lebende Leichen


Die grauhaarige Schwester in der gläsernen Loge hob lauschend den Kopf. Die Uhr der nahen Kirche schlug. Es war elf. Das große Haus lag still; die breite Vorhalle und die Treppen verschwanden im Halbdunkel. Nur ab und zu hörte man von draußen, von jenseits des kleinen Parks, der das Hospital umgab, das ferne Rollen eines Autos. Durch die offene Glastür drangen die Nachtkühle und der Duft blühender Bäume und Blumenbeete. Es war die Stunde, in der sie leicht ins Träumen geriet. Das hatte Schwester Marion schon immer gern getan. Sie wußte, es war nicht gut für ihren Beruf, und sie nahm sich auch sonst sehr zusammen. Aber um diese Nachtzeit durfte sie es. Während sie sich über die Liste der neu eingelieferten Kranken beugte, hörte sie plötzlich ein Geräusch. Zuerst unbewußt, aber es drang durch ihre Gedanken hindurch und brachte sie in die Wirklichkeit zurück. Es schien, als käme jemand mit nackten Füßen langsam eine Treppe herauf, Schritt für Schritt. Dazwischen lagen Sekunden, und nach jedem Schritt raschelte es, als schleife Papier über den Boden.


von Dan Shocker (nicht Jürgen Grsamück), erschienen am 04.02.1975, Titelbild: ???

Rezension von Florian Hilleberg:


Kurzbeschreibung:
In dem kleinen österreichischen Ort Moolstadt erwachen kürzlich Verstorbene wieder zum Leben. Dabei versuchen sie ihr altes Leben wieder aufzunehmen, doch das neue Leben währt nur kurze Zeit und die lebenden Leichen sterben für immer. Larry Brent befindet sich auf der Durchreise nach Budapest, als er auf die merkwürdigen Vorkommnisse aufmerksam wird und beschließt den Fall aufzuklären. Allzu bald wird er selbst zum Zeugen des grausigen Geschehens und die Angst der Bewohner ist fast körperlich zu fühlen. Hinzu kommt das mysteriöse Verschwinden der Hunde von Moolstadt. Der PSA-Agent steht vor einem Rätsel. Dann geschieht der erste Mord...


Meinung:
Unheimlich beschreibt Dan Shocker das Erwachen der Leichen und die Angst der Bewohner vor einem Fluch. Die bedrückende Atmosphäre überträgt sich unwillkürlich auf den Leser und auch wenn die Leichen nicht aggressiv gegenüber den Lebenden auftreten verbreitet das unheimliche Wiedererwachen ein Gefühl des Schauderns. Besonders als das ertrunkene Mädchen an die Tür ihrer Pflegemutter klopfte war sehr gruselig. Die beginnende Hysterie der Stadtbewohner wurde ebenfalls treffend beschrieben und gekonnt beschreibt der Autor, wie die Angst umschlägt in Wut, als die Menschen endlich glauben einen Schuldigen gefunden zu haben, den sie für die Geschehnisse verantwortlich machen können. Somit beinhaltet der Roman auch einen Hauch Gesellschaftskritik. Der Urheber des Grauens ist dieses Mal auch kein abgrundtief bösartiger Charakter oder ein menschenverachtendes Individuum, sondern ein fehlgeleiteter Mensch mit durchaus noblen Gesinnungen. Der Schreibstil ist zu beginn ein wenig holprig, bedingt durch die schnellen Szenenwechsel, wird aber schnell flüssig und rasant, obwohl die Story mit Action sehr sparsam umgeht. Aber gerade das ist eine Stärke des Romans, der sich hauptsächlich auf eine düster-unheimliche Stimmung konzentriert. Unverständlich bleibt Larrys Verhalten extra ein Telefongespräch nach New York anzumelden, um Bericht zu erstatten. Den hätte er auch mit seinem PSA-Ring durchgeben können, zumal er sowieso einen Rückruf abwarten musste. Auch seine Laserwaffe hatte der Agent scheinbar zu Hause gelassen, denn bei der Belagerung der Burg seines alten Freundes durch die Bewohner von Moolstadt hätte er sich mit der Pistole zumindest Respekt verschaffen können. Doch die Smith & Wesson-Laser wird nicht mal erwähnt. Fazit: Ein unheimlicher, spannender Thriller, weitab von gängigen Zombie-Klischees mit einer raffinierten Hintergrundgeschichte und nur kleinen Schwächen und Ungereimtheiten.


4 von 5 möglichen Kreuzen:
4 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Wieder eine nette Fotomontage, die dieses Mal wenigstens einen Hauch Grusel vermittelt und im übertragenden Sinn sogar etwas mit der Handlung zu tun hat.


Coverbewertung:
2 Kreuze

Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Michael Schick:
Das Titelbild wurde seitenverkehrt auch schon auf dem australischen Comic-Magazin DOOMSDAY Nr. 3 verwendet:

DOOMSDAY Nr. 3