Professor Zamorra Nr. 106: Der Komet aus der Hölle
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Stenka Badzak ritt um Mitternacht auf jenen Berg bei Schitomir, der seither
"Des Teufels Kuppe" heißt. Er ließ sein Pferd sich aufbäumen
und schrie: "Väterchen Satan, dein getreuer Sohn Stenka ruft dich! Ich
war grausam und böse, seit ich denken kann, habe gemordet, geschändet,
geplündert und alle nur möglichen Verbrechen und Greuel begangen.
Je schlimmer, desto lieber. Das solltest du anerkennen und mich auszeichnen,
das ist doch wohl nicht zuviel verlangt, oder"? "Nein, Söhnchen", grollte
da eine Donnerstimme aus den schwarzen Wolken, die die Sterne verfinsterten.
Ein glutroter Reiter auf fahl leuchtendem Pferd erschien in den Lüften.
Er senkte sich herab und hielt vor Stenka Badzak. Er war wie ein Kosak gekleidet,
und Stenka sah und spürte, daß er den Leibhaftigen vor sich hatte.
"Was du treibst, gefällt mir sehr, Söhnchen Stenka", sagte der
glutrote Reiter. "So einen Halunken wie dich finde ich auf der Welt nicht
so schnell wieder. Viele Menschen fürchten dich sogar mehr als mich,
doch ich will nicht eifersüchtig sein. Was willst du von mir? Du hast
mich bestimmt nicht nur gerufen, um mir die Hand zu schütteln".
von Walter Appel, erschienen am 11.07.1978
Rezension von
Egon der
Pfirsich:
Kurzbeschreibung:
Professor Zamorra weilt mit seiner Lebensgefährtin Nicole Duval
und seinem Freund Bill Fleming auf Einladung von Dr. Nikolaj Kapnin, einem
einstigen Studienkollegen und jetzigen hohen Parteifunktionär, in der
Sowjetunion. Während eines Jagdausflugs taucht plötzlich ein
dämonischer Komet auf. Hierbei handelt es sich um die dämonische
Seele des einstigen Kosaken-Atamans Stenka Badzak, der vor 300 Jahren einen
Pakt mit dem Satan geschlossen hat. Während sein Körper als Untoter
nach seiner Hinrichtung weiterhin im 17. Jahrhundert sein Unwesen treibt,
taucht seine Seele 300 Jahre später in der Gegenwart (des Jahres 1978)
in Gestalt eines Kometen auf. Da er seinerzeit von einer Frau verraten wurde,
will er sich nun an den Nachfahrinnen dieser Frau, sowie an allen Frauen,
die ihr auch nur entfernt ähnlich sehen, rächen. Aus diesem Grund
entführt der Komet Nicole Duval in die Vergangenheit, ohne das Zamorra
dies verhindern kann. Später holt der Satanskomet auch die Ehefrau und
die Kinder des Rote-Armee-Oberst Jurij Techow, des Neffen von Dr. Kapnin.
Mit Hilfe des zu diesem Zweck wiederbelebten Wundermönchs Boromir schaffen
es Zamorra und seine Freunde, eine Zeitreise ins 17. Jahrhundert
durchzuführen, wo sie zwischen die Fronten eines Kosakenkrieges geraten:
der untote Stenka Badzak und seine Horden plündern und brandschatzen
das Land, eine Gruppe von Kosaken versucht bisher vergeblich, dem Treiben
des Dämons ein Ende zu bereiten. Nach spannenden Abenteuern gelingt
es Zamorra, mit Hilfe einer besonderen, vom Wundermönch Boromir geweihten
Silberkugel, den untoten Körper Stenka Badzaks zu vernichten und seinem
Treiben in der Vergangenheit ein Ende zu bereiten. Aber sein größtes
Abenteuer erlebt er nach seiner Rückkehr in der Gegenwart, wo er sich
selber in einen Kometen verwandelt, um in einem fantastischen Duell auch
die Seele des Stenka Badzak in der Gestalt des Höllenkometen zu vernichten.
Meinung:
Ende der 70er Jahre hatte ich, damals ein kesses Früchtchen im
Teenie-Alter, meine erste Begegnung mit Gruselromanen: ich bekam einen kleinen
Stapel mit Romanen der beiden Serien "Gespenster-Krimi" und "Professor Zamorra"
geschenkt. Ich hatte damals mit elterlicher Erlaubnis bereits einiges gelesen,
hauptsächlich Karl May und vergleichbare Abenteuersachen, aber auch
Wildwest-Romanhefte. Die Gruselromane musste ich jedoch heimlich "unter der
Bettdecke" lesen, weil meine Mutter mit diesem "Schund" absolut nicht
einverstanden war.
Ich gestehe, dass ich als unbedarfter "Jungpfirsich" mich damals ganz schön
gegruselt habe. (Später habe ich dann auch "härtere" Sachen gelesen,
z.B. Dan Shockers Larry Brent, der damals noch im Silber Grusel-Krimi lief
und sich zu meiner Lieblingsserie entwickelt hat, woran sich bis heute nichts
geändert hat.)
Von diesen allerersten Gruselheft-Lektüren haben mir die Zamorra-Hefte
besser gefallen als die Gespenster-Krimis, insbesondere, weil diese Romane
wesentlich "fantastischer" waren, denn der französische
Parapsychologie-Professor wurde des Öfteren auf eine "Reise" in die
Vergangenheit oder in eine dämonische Parallelwelt verschlagen.
Zu den Romanen, die ich seit damals noch besonders gut in Erinnerung habe,
gehört der hier von mir besprochene Zamorra-Roman Nr. 106, der von Walter
Appel alias Earl Warren geschrieben wurde. Er gehört, obwohl er bereits
eine dreistellige Nummer aufweist, noch in die Frühzeit der Zamorra-Serie,
in der eine Vielzahl von Autoren an der Serie mitarbeiteten und es kein
einheitliches Konzept gab (Werner Kurt Giesa feierte 5 Hefte später
mit Heft 111 seinen Einstand bei
Zamorra).
Ich habe mich vor allem an die, nach meiner Meinung, "lustigen und
parodistischen" Partien des Romans erinnert. Nun habe ich den Roman nach
vielen Jahren noch einmal gelesen, um diese Rezension schreiben zu können.
Vorneweg: ich finde den Roman auch jetzt noch ausgezeichnet. Zwar ist die
Geschichte im Grunde simpel und bietet nicht gerade eine neuartige Idee:
ein Bösewicht aus einer früheren Zeit verbündet sich vor seinem
Tode mit den Satan, um danach als Dämon wiederkommen und sich rächen
zu können.
Aber es ist Walter Appel gelungen, aus dieser einfachen Idee einen guten
Roman mit interessanten Details und eigener Note zu fabulieren: wie zahlreiche
andere alte Zamorra-Hefte bringt der Text eine fantastische Handlung mit
Vergangenheits-Episoden, und er bietet mit der Sowjetunion einen interessanten,
weil selten gewählten Handlungsort (die ehemalige UdSSR war nun mal
nicht der Haupteinsatzort der fast ausschließlich englischen oder
amerikanischen Geisterjäger des deutschen Romanheft-Marktes). Gerade
die Vergangenheitsszenen, in denen Zamorra und seine Freunde zwischen die
Fronten eines Kosaken-Krieges zwischen den Handlangern des grausamen Stenka
Badzak und einer Gruppe von Kosaken, die dem Treiben des Dämons ein
Ende setzen wollen, geraten, sind sehr spannend und -naturgemäß-
actionreich. Ein besonderes Highlight ist schließlich das Finale: Zamorra
muß sich in der Gegenwart selbst in einem Kometen verwandeln und sich
dem Satanskometen zu einem spektakulären Kampf am Firmament stellen.
Schade nur, dass diese wahrhaft fantastische Szene so knapp geraten ist.
Was mir ebenfalls damals wie heute gut gefallen hat, sind die "lustigen"
Partien, mit denen Walter Appel den Roman an einigen Stellen aufpeppt. Ein
schönes Beispiel ist die Eröffnungsszene, in der Stenka Badzak
sich mit dem Teufel verbündet. (Diese kann jeder Interessierte auf der
vorliegenden Internetseite zumindest zum Teil nachlesen, weil oberhalb von
meiner Rezension die erste Textseite abgedruckt ist.) Man glaubt hier, es
mit einer Gruselkomödie zu tun zu haben: das fängt mit den "russischen"
Klischee-Anreden "Väterchen Satan" oder "Söhnchen Stenka" an und
setzt sich fort in Sätzen wie "Du hast mich bestimmt nicht nur hergerufen,
um mir die Hand zu schütteln" oder "...wir können auf die
Formalitäten verzichten" (Satan gibt sich unbürokratisch, daran
könnte sich manche Behörde ein Beispiel nehmen -:) Es gibt weitere
dieser Szenen: etwa als der Höllenkomet die Kinder des Rote-Armee-Oberst
Techow entführen will, und von der Großmutter mit "sowjetischen"
Schimpfwörtern belegt wird: "Ungeheuer, Teufel, Kapitalist".
In einem Punkt hat mich meine Erinnerung an die Erstlektüre des Heftes
vor fast 30 Jahren jedoch im Stich gelassen: diese humorvollen Szenen lockern
den Text gelegentlich auf, dominieren ihn aber nicht, wie ich mich vor der
neuerlichen Lektüre zu erinnern glaubte. Insgesamt handelt es sich hier
um einen "ernsten", spannenden und actionreichen Roman, der durch gelegentlichen
Humor aufgewertet wird.
Mit den meisten Romanen meines Lieblingsautors Dan Shocker kann "Der Komet
aus der Hölle" nicht mithalten, aber er gehört für mich zu
den besten Romanen der Serie "Professor Zamorra" aus der Zeit vor Werner
Kurt Giesa. Und er bietet zahlreiche Szenen, die geradezu nach einer effektvollen
Hörspiel-Vertonung schreien, von den Kämpfen der Kosaken bis hin
zum "Finale furioso", dem Kometenduell zwischen Zamorra und Stenka Badzak.
Dieser Klassiker bekommt von mir daher die volle Punktzahl.
5 von 5 möglichen Kreuzen:

Kommentare zum Cover:
Das Bild zeigt den Höllenkometen, wie er gerade zwischen den Baumwipfeln
auftaucht und auf ein sich ängstlich umklammerndes Paar zufliegt. Auch
wenn diese Szene so nicht im Roman vorkommt, paßt das Bild meiner Meinung
nach recht gut zum Roman. Allerdings sieht das Gesicht in dem Kometen nicht
so aus, wie es im Roman beschrieben wird. Es wirkt auf mich trotz der beiden
Teufelshörner auch nicht unbedingt bösartig, sondern erinnert mich
irgendwie an ein Plüschtier. Trotzdem insgesamt ein recht gutes Bild.
Coverbewertung: