Professor Zamorra Nr. 13: Die Knochengrube

Professor Zamorra Nr. 13: Die Knochengrube


"Der Teufel soll diesen verflixten Kahn holen!" brüllte Joop Pravemann. Fluchend hastete er von der Brücke auf das Oberdeck. Er mußte sich mit alter Kraft am Treppengeländer festhalten, um nicht von einem der Brecher fortgespült zu werden, die unter ohrenbetäubendem Donnern gegen die Bordwand und über die Planken rollten. Der niederländische Frachter "Drachten" wurde von der Macht des Orkans nach Backbord und nach Steuerbord geworfen, tauchte immer wieder mit dem Bug in gigantische Wellenberge, die ihn erdrücken wollten - und In den Spanten knackte es, als müsse der Rumpf jeden Moment In zwei Teile zerbrechen. Joop Pravemann wußte, daß die "Drachten" davon nicht mehr weit entfernt war. Der vollbärtige Kapitän kannte sein Schiff. Seit fünf Jahren kreuzte er damit auf Nordsee, Atlantik und Mittelmeer. Aber einen Orkan wie diesen halte er selbst in der ohnehin schon stürmischen Biskaya nie erlebt. Plötzlich stieß er einen verblüfften Laut aus. Trotz der hoch aufsprühenden Gischt konnte er deutlich das Schiff erkennen, das sich von Backbord durch die Finsternis näherte. Es war hell erleuchtet - ein Riese mit vier Schornsteinen, schätzungsweise zweihundert Meter lang, doch aus einer längst vergangenen Epoche. "Das gibt es nicht", stammelte Pravemann, "ein Geisterschiff"Er kniff die Augen zu und riß sie wieder auf, weil er glaubte, daß seine Sinne ihm einen üblen Streich spielten. Irrtum! Das gewaltige Passagierschiff war immer noch da. Es stampfte direkt auf die "Drachten" zu.


von Holger Friedrichs, erschienen am 17.12.1974