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Eisiger Wind peitschte durch die Wipfel des dunklen Tanns. Der Herbststurm
wurde stärker. Er riß an den Fensterläden und fuhr jaulend
unter die Schindelabdeckungen an den Hauswänden. Die meisten Menschen
im Dorf gingen früh schlafen. Nur in der Gaststube neben dem Bergwerksmuseum
brannte noch Licht. Die niedrigen Räume machten einen verlassenen Eindruck
- bis auf die Nische neben dem Tresen, in der eine seltsame Gruppe an einem
blankgescheuerten Holztisch saß. Eine junge Frau und fünf Männer
starrten schweigend auf halbgeleerte Gläser und überquellende
Aschenbecher. Sie lauschten dem Orgeln des Sturms und hingen ihren Gedanken
nach. Plötzlich richtete sich ein etwa dreißigjähriger Mann
mit langen, hellblonden Haarsträhnen seufzend auf. "Totensonntag im
Harz", stieß er hervor. "Das kann auch nur uns passieren ... " Sofort
kam Bewegung in die Gruppe. "Sei froh, daß überhaupt noch eine
Kneipe auf hat", sagte die junge Frau. Sie strich sich ihre braunen, glatt
auf die Schultern fallenden Haare zurück. Im Licht der Kerzen besaß
ihr Gesicht etwas Madonnenhaftes. Die kleinen Falten um die Mundwinkel
ließen sie jedoch älter aussehen als sie war. "Noch eine Runde!"
rief der blonde Kameramann.