Macabros Nr. 89: Rückkehr in den Totenbrunnen
Es geschah mitten in der Stadt. Die Frau stand an der Verkehrsampel, um die
Straße zu überqueren, sobald die Ampel auf Grün sprang. Die
Münchnerin war nervös und hatte es eilig. In einer Stunde schlossen
die Geschäfte, dann mußte sie alles erledigt haben. Am Abend erwartete
sie Gäste. Plötzlich stutzte die Frau, als ihr Blick auf die
gegenüberliegende Straßenseite fiel. Unwillkürlich stockte
ihr Herzschlag. Da lief jemand, den sie kannte, den zu sehen sie aber nicht
erwartete. Es handelte sich um eine auffallend schöne, großgewachsene,
dunkelhaarige und langbeinige Frau. Die Art, wie sie schritt, wie sie sich
gekleidet hatte, zog unwillkürlich den Blick an. "Sonja ... ", entfuhr
es der Beobachterin an der Ampel. "Das ... ist doch ... Sonja Wilken!" Angelika
Huber glaubte ihren Augen nicht trauen zu dürfen. "Aber ... das kann
nicht sein Sonja ist doch seit fünf Jahren spurlos verschwunden..."
Rezension von
GoMar:
Kurzbeschreibung:
Angelika Huber traut ihren Augen nicht, als sie plötzlich Sonja Wilken,
ihre vor fünf Jahren verschollene Freundin mitten in München trifft.
Doch Sonja erkennt sie augenscheinlich nicht mehr. Angelika folgt ihr dennoch,
wird aber von Manolito, dem Maya-Indio, mit dessen Auto angefahren. Als sie
den Unfall überlebt, erscheint Manolito im Krankenhaus und holt sich
Angelika Huber als Opfer für den Schlangengott, dem er noch immer dient
...
Björn Hellmark erfährt im zweiten Brief von Ak Nafuurs
Vermächtnis, dass er noch mit dem "Schrecklichen aus dem Totenbrunnen"
ein Hühnchen zu rupfen hat. Dem begegnete er kurz in einem Abenteuer
in Xantilon vor dem Untergang der Insel (siehe Roman
Nr. 31). Er soll dort unbedingt
die "Ewige Flamme der Schlangengöttin Luku-U'moa" erobern, was mit dem
magischen Schwert kein Problem sein sollte. Aber Björn hat es noch immer
nicht zurück. Dennoch macht er sich auf, den zweiten Weg in die Dimension
des Grauens zu gehen. In Mexiko will er sich mit Evita Mochares treffen,
die den genauen Ort des "Vergessenen Volkes" der Maya kennt, doch Evita ist
inzwischen dem Wahnsinn verfallen. So steht er plötzlich vor einem schier
unlösbaren Problem: ohne Rückkehr in den Totenbrunnen kann er den
Auftrag nicht erfüllen, doch kehrt er zurück, wird er ebenfalls
wie alle anderen Männer vor ihm zu einem Monster werden ...
Rani Mahay unterdessen gelingt es, den Aufenthaltsort Manolitos herauszufinden,
der niemand anderes als der ehemalige Schwarze Priester Vartan Konk ist,
und der Kay Olsen zum Schlangengott machte (siehe Roman
Nr. 31). Im Keller des Hauses
von Kay Olsen bekommt Rani es mit beiden zu tun - und er stürzt in den
Totenbrunnen, den alle Männer nur als verwandelte Wesen halb Mensch
halb Echse verlassen ...
Meinung:
Der zweite Weg in die Dimension des Grauens liegt vor Björn Hellmark.
Und diesmal treffen wir einige Bekannte aus einem früheren Roman des
legendären Xantilon-Zyklus' wieder: Manolito, grausam wie eh und je,
Kay Olsen, den Maya-Forscher, der nun der Schlangengott ist, seine Freundin
Sonja Wilken, deren Geist zerstört wurde durch den Anblick Kay Olsens,
und last but not least Evita Mochares, die ehemalige Reporterin aus Mexico
City, die in einer Nervenheilanstalt gelandet ist.
Für Björn geht es hier wieder zurück in den Totenbrunnen,
denn die Begegnung mit dem Schlangengott ist noch nicht beendet und Dan Shocker
beginnt anscheinend, kurz vor dem Erreichen des 100. Macabros einige "alte"
und noch offene Handlungsstränge abzuschließen. Gut so, denn es
ist meiner Meinung nach oftmals ein Problem von ihm gewesen, dass er so voll
von neuen Ideen steckte, dass er einmal Begonnenes links liegen ließ
und sich stets Neuem zuwandte. Und diesmal muss Björn dem "Schrecklichen
aus dem Totenbrunnen" sogar ohne sein magisches Schwert gegenübertreten,
aber hier beweist Dan Shocker, dass er auch fähig ist, neue Waffen und
Hilfsmittel zu ersinnen.
Der Roman beginnt wiederum etwas zäh, denn die vielen Rückblenden
hemmen den Handlungsverlauf; auch ist die Geschichte um Evita und ihrem
Lebensgefährten Hernandez etwas zu langwierig aufgebaut, da Björn
dann doch recht einfach an die gewünschten Informationen kommt. Die
Ebene um Angelika Huber und Manolito samt Krankenhaus ist nicht unspannend,
aber bei Dan Shocker ist man ständig in Spitälern unterwegs, so
dass man hierbei das Gefühl hat, man kennt schon alles in- und auswendig.
Ab der zweiten Romanhälfte wird es dann rasanter und mit dem Showdown
überschlagen sich die Ereignisse beinahe. Schade finde ich nur, dass
der Schlangengott eigentlich relativ unspektakulär daherkommt, hatte
er Björn doch ein viel dramatischeres Wiedersehen prophezeit (Roman
Nr. 31). Es scheint einfach
so zu sein, dass Dan Shocker hier doch eine Durststrecke durchlief, die
schließlich mit dem neuen Zyklus ab Roman
Nr. 101 wieder beendet war
(man hat beinahe den Verdacht, Macabros sollte mit der
Nummer 100 beendet werden).
Was mich an diesem Roman zusätzlich stört, sind die überaus
vielen Druckfehler, seien es fehlende oder falsch gesetzte Buchstaben oder
überhaupt Wörter, die einen völlig anderen Sinn ergeben
würden. Einige Kostproben: Ein Polizist meint: "... wenn wir da nach
fünf Jahren noch mal fünfzig würden ..." Kann sein, dass der
Redakteur ihm eine Verjüngungskur gönnen wollte, aber es sollte
wohl eher heißen: "... noch mal fündig würden ...". Oder
zwei Seiten weiter: Die Götterwelt der Mahays und Azteken ... Ich wusste
gar nicht, dass Rani Mahay inzwischen zu den Göttern gehörte, aber
hier war wohl auch die Götterwelt der Mayas und Azteken gemeint. Interessant
ist auch, dass der Titel am Titelblatt lautet: Rückkehr in den Totenbrunnen,
in der Innenseite aber lautet er: Rückkehr aus dem Totenbrunnen! Beides
irgendwie richtig, aber spannender klingt doch der Titelblatt-Titel ...
Aber auch dem Autor unterliefen einige Fehler. So zum Beispiel konnte er
sich nicht mehr daran erinnern, dass er Evita Mochares in Roman
Nr. 33 in Genf auf dem Flughafen
verabschiedete, und im vorliegenden Roman wird behauptet, Björn wüsste
noch genau, wo ihre Wohnung sei, da er sie damals zurückgebracht
hätte. Oder als etwas witzige Einlage, wenn er schreibt: Im nächsten
Moment lagen sich Rani und Manolito in den Haaren (köstliche Vorstellung
bei Ranis prächtiger Vollglatze).
Fazit: Ein Roman mit einigen Längen, der dann aber zulegt und am Schluss
wieder Dan Shocker-mäßig schnell beendet wird. Für den Leser
aber, der gerne Handlungsstränge fertig geschrieben haben möchte,
auf jeden Fall empfehlenswert. Zu hoffen bleibt, dass die restlichen 11 Wege
etwas an Spannung zulegen können ...
Besonderheiten:
1. Björn Hellmark trifft wieder auf den Schrecklichen aus dem
Totenbrunnen.
2. Zweiter Auftritt Manolitos, der eigentlich ein ehemaliger Schwarzer Priester
ist.
3. Erster Auftritt der Schlangengöttin Luku-U'moa, die sicher noch eine
Rolle spielen wird.
4. Als Innenillustration ist erstmals Rani Mahay dargestellt, der hier doch
ziemlich finster dreinschaut, dennoch gut herüberkommt. Der große
Punkt auf seiner Stirn stellt ein Tilaka oder Tika dar, ein tägliches
Segenszeichen, das das "dritte Auge" symbolisiert; nach meinen Recherchen
tragen dies vor allem Hindus. Eigentlich wurde von Dan Shocker nie erwähnt,
dass Rani so ein Hindu-Zeichen trägt.
5. Dieser Roman erschien auch als 1. Teil im Paperback-Doppelband Nr. 40
im Blitz-Verlag.
3 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Wieder einmal ein gutes Lonati-Bild, das in den Schlusskapiteln in etwa so
beschrieben wird. Interessant ist dabei, dass die Echsen-Gesichtshälfte
einen fast fröhlichen Ausdruck aufweist, während die menschliche
Hälfte sehr verkniffen und bösartig wirkt. Die fast nackte Angelika
Huber wirkt, als würde sie dem Monster die linke Hand zum fröhlichen
Tanz reichen wollen, erkennbar auch an ihrer Beinstellung. Gut getroffen
sind der Brunnen in der Mondlandschaft, wenn auch der Eimer samt dem
Drehgestänge nie in den Romanen vorkommt, die angreifenden Totenvögel
sowie der bedrohlich wirkende Himmel als Hintergrund.
Coverbewertung: