Larry Brent Nr. 111: Die Gehirne des Dr. Satanas
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Er sah, wie ein Leib in den Sarg gelegt wurde, wie er drei Tage später
in der dunklen Grube verschwand und dumpf dröhnend die feuchte, schwere
Erde dieses verregneten Junitages auf den Sargdeckel klatschte. Das alles
hatte er mitbekommen. Seine Zellen waren noch nicht alle abgestorben gewesen.
Dies war ein Beweis für seine Theorie, daß es über den Tod
hinaus eine Verbindung zu dem Leib gab, der ihm siebenundvierzig Jahre lang
als Hülle gedient hatte. Aber er war nicht nur reiner Geist. Etwas von
seinem Leib lebte noch. Das wichtigste aller Organe: Das Hirn. Er dachte,
fühlte und nahm Bilder auf. Aber es waren Bilder aus seiner Erinnerung.
Er wußte, daß er an einer komplizierten Apparatur angeschlossen
war, daß er gehegt und umsorgt wurde, daß sein großartiges
Hirn in einer Flüssigkeit schwamm, die es ständig umspülte,
die ihn mit Nahrung und Sauerstoff versorgte. Er hätte zu gern gewußt,
wie das aussah. Aber den Blick nach außen, den gab es nicht. Er besaß
keine Augen mehr. Alles war wie ein Traum. Und langsam wurde sein Dasein
zu einem Alptraum. "Ich fühle meine Beine, ich möchte gehen, aber
ich habe keine mehr, mein linker Arm schmerzt, etwas stimmt nicht. denn ich
habe keine Arme mehr. Ich möchte etwas sagen, die Worte liegen mir auf
der Zunge, ich kann nicht aussprechen. Ich bin nur noch Hirn. Ich muß
mich ihnen bemerkbar machen, ihnen mitteilen, daß ich nicht mehr leben
will, so nicht mehr..." Ihnen - das waren Daisy, seine Frau, und Philip,
sein Freund und Kollege aus dem St. Anne's Hospital, der die Operation
vorgenommen hatte. "Ich möchte tot sein! Schaltet die Apparatur ab!"
schrie es in ihm. "Könnt ihr mich denn nicht hören? Daisy? Phil?
Macht ein Ende! Ich habe alles falsch gemacht. Es lohnt sich nicht, so zu
leben ... ein Leben ohne Körper!" Zweifel stiegen in ihm auf. Ängste.
Die Martern kamen wieder. Entsetzliche Schmerzen peitschten ihn. Er fühlte
so, als ob sein Körper. noch existiere.Er wollte den Tod überwinden.
Er hatte ihn überwunden! Nun bereute er sein Vorgehen. Nun würde
alles nach dem Plan ablaufen, den er mit Daisy und Phil besprochen hatte,
als er sich entschied, die Operation durchführen zu lassen. Er konnte
sich nicht bemerkbar machen. Er war allein in seiner stillen, dunklen Welt,
die nur von den Bildern seiner Erinnerung erhellt wurde.
Rezension von
Florian
Hilleberg:
Kurzbeschreibung:
Der geniale Hirnchirurg Dr. Frank Mallert vertritt die Theorie, dass der
menschliche Körper mit all seinen Organen das Potenzial hat mindestens
einhundertfünfzig bis zweihundert Jahre alt zu werden. Insbesondere
das Gehirn fällt in zunehmenden Maße den Gebrechen des restlichen
Körpers zum Opfer. Daher verfügt Mallert nach seinem Tod, dass
sein Gehirn separat vom Körper genährt und stimuliert werden soll.
Die Durchführung und Fortsetzung seiner Forschungen soll sein Freund
und Partner Dr. Phil Racker vornehmen. Dr. Frank Mallert ist nur noch reines
Gehirn, ohne Körper und ohne Sinnesorgane. Doch einige Hirnzellen beginnen
ihre Funktion zu ändern und neue Fähigkeiten zu entwickeln, um
die Umwelt wahrzunehmen. Auf diese Theorie setzt auch Dr. Satanas, der Racker
und dessen Geliebte, die Witwe von Dr. Frank Mallert beseitigt, um selbst
weiterzuforschen. Er verbindet das Gehirn von Dr. Phil Racker, eines weiteren
Hirnchirurgen und eines parapsychisch begabten Mädchens mit dem Gehirn
von Frank Mallert. Das Superhirn wächst und entwickelt unglaubliche
Fähigkeiten. Dank seiner hypnotischen Kräfte gelingt es Satanas
das Hirn zu steuern. Doch da ist ihm die PSA längst auf die Spur gekommen
und schickt seine beiden besten Agenten: Larry Brent, alias X-RAY-3, und
Iwan Kunaritschew, alias X-RAY-7. Allerdings ahnen beide noch nicht im
Geringsten, mit wem sie es wirklich zu tun haben
Meinung:
Nirgends konnte Dan Shocker sein Misstrauen und seine Aversion gegen Ärzte
und moderne Medizin besser verarbeiten als in den Romanen mit Dr. Satanas.
Dieses Mal hat sich der Menschenfeind die Gehirnchirurgie als
Betätigungsfeldzug ausgesucht. Erinnert die Geschichte noch zu Beginn
an eine Neuauflage des Science-Fiction-Klassikers "Donovans Hirn", von Curt
Siodmak, so entwickelt sich die Handlung mit dem Eingreifen des Dr. Satanas
in eine waschechte Trashorgie a la Jack Arnold. Das ist gewiss nicht negativ
zu verstehen, denn gerade durch diesen plakativen Plot erhält die Geschichte
einen ganz eigenen Reiz. Das riesige Kollektivhirn entwickelt binnen
kürzester Zeit die Fähigkeiten zur Fortbewegung und zur Assimilierung
von Lebewesen. Besonders schaurig wurde dabei die Szene im Keller des Anwesens
von Frank und Daisy Mallert beschrieben, die auch auf dem Titelbild zu sehen
ist, und in der das HIRN, wie es von Satanas nur genannt wird, einen Polizisten
attackiert. Eher zum Schmunzeln ist dagegen der "Spaziergang" des Hirns durch
die nächtliche Stadt und auf die Ladefläche eines LKW. Umso
bedrohlicher wirkt die absolute Gedankenkontrolle, die das Kollektivhirn
über Menschen ausüben kann. Larry Brent bekommt diese Kontrolle
am eigenen Leib zu spüren, als das Hirn die komplette Nachbarschaft
mobilisiert, um den PSA-Agenten unschädlich zu machen. Der Spagat zwischen
Action und Atmosphäre ist dem Autor in diesem Werk glänzend gelungen,
ebenso wie das Verwirrspiel mit den Identitäten des Dr. Satanas. Sprachlich
recht einfach strukturiert bleibt der Leser immerhin von den geliebten
Anglizismen Dan Shockers verschont. Im Finale dann wird der Leser ein ums
andere Mal überrascht und mit einem dramatischen Endkampf entlohnt.
Darüber hinaus zeigt sich, dass auch Iwan Kunaritschew dem weiblichen
Geschlecht gegenüber nicht abgeneigt ist.
Fazit: Durchweg spannender Satanas-Shocker mit einer fesselnden Story und
einem packenden Finale. Für LARRY BRENT-Fans absolute Pflichtlektüre.
Besonderheiten:
Dr. Satanas wird zum ersten Mal festgenommen, entkommt am Ende aber
wieder.
4 von 5 möglichen Kreuzen:

Kommentare zum Cover:
Ein wirklich beeindruckendes Titelbild, das Lonati hier geschaffen hat. Die
Satanas-Physiognomie innerhalb des Kollektiv-Hirns zeigt, wer die Fäden
in den Händen hält. Der Angriff auf den Mann wurde sehr dynamisch
und unheimlich dargestellt.
Coverbewertung: