Jaqueline Berger Nr. 13: Gefallene Engel
Jaqueline Berger Nr. 13: Gefallene Engel


Frankfurt - 08.09.2003 / 15:00 Uhr
"Und? Vermisst du New York?" Linda blinzelte in die Sonne, während sie an einem Fruchtcocktail nippte. Die Sonne schien über die Dächer von Frankfurt, fiel auch auf das Dach der Zeilgalerie und dort genau in ihr Gesicht. Wir hockten auf bequemen Stühlen in einem neu eröffneten Restaurant, welches die Dachterrasse bewirtschaftete, und genossen das süße Nichtstun. Die Temperaturen waren warm , doch hier oben in Schwindel erregender Höhe fuhr ein sanfter Luftzug über unsere Köpfe hinweg. "Nein, im Moment nicht. Wollte eigentlich wieder nach Hause fliegen, doch jetzt bin ich ganz froh, ein paar Tage mit dir verbringen zu können. Wir haben uns in letzter Zeit kaum gesehen. Schade eigentlich." Meine Freundin nickte voll Inbrunst. Ich wusste, wie sehr ich ihr abging. Mein Verschwinden damals war plötzlich gekommen, der Schnitt für alle Seiten hart. Andererseits war es exakt das gewesen, was ich gebraucht hatte. Weg von dem, was mich ankettete, und zurück in ein freieres Leben. "Gut, dass du mal wieder etwas Zeit hast. Dachte schon, die Leute in New York seien alle viel besser als wir hier und du hättest dein Interesse an uns verloren." "Ach was", gab ich zurück. "Überhaupt nicht. Die Zeiten waren stressig, es gibt viele Dinge zu verarbeiten." Linda, die keine Ahnung von dem hatte, was hinter mir lag, nickte wieder. Für sie war quasi nichts geschehen. Keine Zeitverschiebungen, keine Kriege und kein Tod, wie ich ihn erlebt hatte. Es war mir gelungen, die uns bekannte Zeitlinie wiederherzustellen. Nicht allein, sondern mit Joyces Hilfe. "Aber nun bin ich da, du hast ein paar Tage Urlaub und im Moment sieht es nicht danach aus als würde sich die Hölle auftun, um uns anzugreifen. Weder hat John Harvey irgendwelche Hinweise darauf noch Florence O'Brien oder Diana-Marie. Friede all überall." War es eine Folge von dem, was sich ereignet hatte? War es mir gelungen, die andere Seite derart zu schädigen, dass sie sich nun für eine Weile erholen musste? Ein schöner Gedanke, an den ich aber nicht so recht glauben wollte. "Florence", zischte Linda, nachdem sie erneut an ihrem Drink genippt hatte. "Aus der werde ich einfach nicht schlau. Sie ist boshaft, spielt ihr ganz eigenes Spiel - wird aber bei dir zu einem Lamm. Was läuft da?" "Keine Ahnung", bekannte ich freimütig. "Sie steht auf mich. Zumindest glaube ich das. Oder sie benutzt mich - kann auch sein. Sie hat ein berufliches Interesse an mir, da Teile der SSSK denken, sie könnten mich akquirieren. Andererseits erklärt das noch nicht, dass sie mich bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu verführen versucht. Andererseits ist es auch egal. Sie ist nicht hier, aber du bist es. Also ..." Linda lächelte zufrieden, ehe sie aufstand, um sich ein weiteres Glas Saft zu holen. Das Restaurant war gut und günstig, bediente seine Gäste aber nicht, sondern setzte auf Selbstbedienung. Vier Kassen, ein Büffet und am Ende hatte der Gast mehr auf seinem Tablett, als er eigentlich wollte. Versonnen blinzelte ich in die Sonne, ehe mein Blick hinüber zur Paulskirche glitt. Ein besonderes Symbol, die Wiege der Demokratie in Deutschland. Mehr als einmal war ich bereits drinnen gewesen, um mir die Ausstellung im unteren Saal anzuschauen, und einmal auch, um der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels beizuwohnen. Nicht als Besucher, sondern als Sicherheitspersonal, nachdem mein Boss einige Jahre zuvor mit einem Angriff auf den Preisträger fürchtete - ein Angriff, den, wenn er tatsächlich erfolgt wäre, kein Sicherheitsbeamter hätte verhindern können. Fritz Stern war damals der Preisträger gewesen, es war nichts geschehen und am Ende war ich traurig, nicht ein Jahr zuvor in der Paulskirche gewesen zu sein, als Martin Walser seine durchaus umstrittene Rede gehalten hatte. Ein in meinen Augen durchaus würdiger Preisträger übrigens, der in manchen Teilen wohl zu Unrecht gebrandmarkt wurde - trotz seines Auftritts in Wildbad Kreuth und seines Romans Tod eines Kritikers. Ich selbst hatte das Werk seinerzeit gelesen und nicht den Eindruck gewonnen, Walser sei Antisemit. Wie oft war ich schon hier oben auf dem Dach der Galerie gewesen, wie vertraut war mir das alles. So vertraut wie Grosetto, mein ehemaliger Wohnort in der Toskana, und nun zunehmend auch New York. Der Central Park, die Upper West Side und Brooklyn, denn dort wohnte Clarissa Edgecomb, die zu einer Freundin geworden war. Sie schrieb regelmäßig Mails, wir telefonierten gelegentlich und als sie sich vor wenigen Tagen unsterblich in eine Studentin verliebt hatte, erfuhr ich als Erste davon - noch vor ihrem Breakfast Club, da die Frauen dort ohnehin nur gelästert hätten.


Rezension von Benfi:


Kurzbeschreibung:
Es beginnt mit einem bestialischen Mord an der Verkäuferin Carola Heck. In ihren leblosen Körper wurde der Name 'Linda Zimmermann' hinein geritzt. Kurz darauf verlangt ein Selbstmörder vor seinem Ableben nach eben jener Linda Zimmermann und verlangt, dass diese mit Jaqueline Berger den dritten Schlüssel für das Verlies der gefallenen Engel finden soll. Zum Glück verweilt JB gerade in Frankfurt/Deutschland und übernimmt den Fall, besonders als der gefallene Engel Arameel, welcher der Schlüsselsucher ist und der hinter den Morden steckt, Linda in seine Gewalt bekommt! Jaqueline macht sich auf den Weg nach Akko/Israel, da sie durch Zufall erfahren hat, dass ihr ehemaliger Bekannter und Archäologe Doktor Simon Kechon bei Ausgrabungen einen Text zu diesem Thema gefunden hat. Hier hofft sie nun in den Höhlen von Akko den Schlüssel zu finden. Doch sie stößt erstmal auf etwas anderes: auf Tempelritter...


Meinung:
Autor Gunter Arentzen zieht bei diesem Gruselroman mal wieder alle Register, um seinen Lesern einen fesselnden Lesestoff vorzulegen. Die Story ist durchdacht mit einer gehörigen Portion biblisch-historischen Hintergrund und ist durch eine wohl dosierte Ladung Action sowie harten Horroransätzen sehr fesselnd zu Lesen. Aber auch hier packt Arentzen wieder eine ganze Gruppe neuer Charaktere in den Roman, die grundsätzlich allesamt interessant aufgebaut sind, aber man als Leser der Serie JAQUELINE BERGER fürchtet, bald den Überblick zu verlieren. Trotzdem kann ich diesen Gruselroman bedenkenlos empfehlen; mit solchen Geschichten hebt sich diese Serie angenehm von den üblichen Klischees des Genres ab.


Besonderheiten:
- Erscheinungsdatum: September 2005
- Jaqueline arbeitet an ihrem ersten Roman, der ihre Erlebnisse als Schatzjägerin schildern soll; diese Romane gibt es tatsächlich vom gleichen Autor der JB-Serie bei der 'Romantruhe' zu kaufen
- erster Auftritt von Patrizia Knopfler, einer Studentin, die nebenbei Geld bei einem Escort-Service verdient
- erster Auftritt von Doktor Simon Kechon, einem Wissenschaftler und alten Bekannten von Jaqueline
- erster Auftritt von Ariel Fischer, einem Agenten des israelischen Geheimdienstes Mossad
- erster Auftritt des Erzengel Gabriel
- Jaqueline plündert aus den Höhlen Akkos einige Schriftrollen, den Stab des Moses und ein keltisches Amulett
- Jaqueline erhält von einem Tempelritter einen Umhang, welcher unsichtbar macht, sobald er verschlossen wird


4 von 5 möglichen Kreuzen:
4 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Hm, nein...also Engel sollten schon leuchten - das verstehe ich noch soeben, aber diese weißlichen Ritter auf dem Cover und dazu dieses hier sehr militärisch wirkende Tatzenkreuz - ich muss sagen, das Cover von Meike Förster wirkt sehr daneben gegriffen!


Coverbewertung:
2 Kreuze