Jaqueline Berger Nr. 9: Urwaldgeister
Jaqueline Berger Nr. 9: Urwaldgeister


„J.B. – ich wende mich mit einer besonderen Bitte an Sie. Mein Neffe nimmt zurzeit an einer Expedition teil. Die Gruppe, der er sich angeschlossen hat, sucht auf einer kleinen Insel nach Überresten irgendwelcher Piraten, welche dort ihr Lager gehabt haben sollen. Ich kann nicht verhehlen, dass es dabei um größere Summen geht, welche die Teilnehmer unter sich aufteilen möchten. Leiter der Expedition ist Samuel J. Swain, ein erfahrener Abenteurer. Dennoch, und dies schreibe ich mit großer Angst, wird die Gruppe seit fünf Tagen vermisst. Offenbar ist es so, dass jeder Kontakt mit den sieben Teilnehmern abgebrochen ist. Der letzte Funkkontakt kann als SOS gewertet werden, aber dies ist unsicher. Meine Bitte nun: Nehmen Sie an der Rettungsexpedition teil, welche in zwei Tagen von St. Kitts & Nevis aus aufbrechen wird. Leiter der Rettungsexpedition ist Charles Edwards – ein Name, der Ihnen sicherlich bekannt sein dürfte. Finden Sie meinen Neffen Harald und bringen Sie ihn nach Deutschland zurück – sofern irgend möglich LEBEND. Sie haben das Recht, diese Bitte abzulehnen. Es betrifft nicht unser Arbeitsverhältnis, würde von mir jedoch als persönlicher Gefallen gewertet werden. Bitte teilen Sie meiner Mitarbeiterin mit, ob Sie den Auftrag annehmen. Vielen Dank – wie auch immer Sie sich entscheiden.“
Die Blonde stand vor meinem Schreibtisch und wartete. Ihr Blick ruhte auf Easy Ryder, der einen eigenen Platz erhalten hatte, unsere alten Akten durchging und manchmal ein „Voll herb!“ hören ließ. Sie hatte den Praktikanten-Vertrag mitgebracht, wir waren ihn durchgegangen und am Ende hatten wir alle unterschrieben – mit Ausnahme unserer Sekretärin, die ihn lediglich fotokopierte. „Nun?“ „Nun? Natürlich nehme ich den Auftrag an. Im Grunde schulde ich das dem Boss. Allerdings müssen wir die Frage der Vertretung klären. Immerhin ist Linda noch immer nicht einsatzbereit, Easy ebenfalls nicht. Was, wenn die Dinge hier in Frankfurt eskalieren oder es anderswo einen Fall zu bearbeiten gibt?“ Sie lächelte knapp. „Nun – ich werde die Vertretung übernehmen. Mit Frau Zimmermanns Hilfe, die sich wieder für den Innendienst einsatzfähig gemeldet hat, und auch mit Easy. Keine Sorge – wir werden alles daran setzen, dass Frankfurt nicht von Geister und Dämonen überrannt wird.“ „Sie?“, fragte ich und meine verblüffte Stimme konnte schon fast als Beleidigung aufgefasst werden. „Sie wollen mich vertreten? Ich meine, sind Sie denn …?“ „Oh“, erwiderte sie leicht amüsiert, „zum einen bin ich eine voll ausgebildete Polizeibeamtin, zum anderen mit allen Fällen vertraut, die Sie und auch Ihre Vorgängerin bearbeitet haben.“ Meine Vorgängerin. Die Worte der Blonden lösten einen Stich in meinem Magen aus. Ich hatte Florence O’Brien kennen gelernt – sowohl als eiskalte Killerin als auch als Frau, die um ihr Leben winselte. Wäre sie ihrerzeit nicht ausgestiegen, hätte man mich am Galgen hingerichtet! Wer war sie gewesen? Was hatte sie qualifiziert und wie hatte sie ihren Job erfüllt? Es gab keine Akten von ihr, keine Berichte. Zumindest keine, die mir zugänglich gewesen wären. „Erzählen Sie mir was über Florence O’Brien. Wer ist sie? Wo liegen ihre Wurzeln? Sie agiert taff, aber auch kühl überlegend.“ „Sie wuchs in den Straßen von Belfast auf. Verlor ihre Eltern und auch ihre Brüder. Mitgliedschaft in der IRA, einige Verbrechen. Sie war – ist – schnell mit der Waffe, hoch intelligent und vollkommen unerschrocken. Was auch immer kommt – sie kann nichts aus der Fassung bringen. Hinzu kommt, dass sie als Jugendliche ein Erlebnis mit einem Vampir hatte. Dazu das irische Blut, welches von Haus aus an Elfen und all das glaubt … Sie schien uns die perfekte Besetzung zu sein. Wir täuschten uns.“ Die Blonde schwieg. Ihr Blick glitt davon, in die Ferne und gleichzeitig auch in die Vergangenheit. „Sie wollte mehr Geld als der Boss zu zahlen bereit war. Ist es so?“ Sie nickte. „So ist es. Je erfolgreicher, desto gieriger. Am Ende mussten wir die Dinge beenden, sie gehen lassen. Auch wenn es uns schwer fiel. Zudem gewannen wir den Eindruck, dass ihre regelmäßigen Urlaube in Nordirland etwas mit der IRA und gewissen Anschlägen zu tun hatten. Auch ein Grund, uns von ihr zu trennen.“


Rezension von Benfi:


Kurzbeschreibung:
Jaqueline schließt sich ihrem Boß zuliebe einer Expedition an, die nach einer vermissten Truppe auf einer kleinen Insel der St.Kitt and Nevis Gruppe suchen soll. Diese Truppe suchte nach einem Piratenschatz und verschwand dabei. Einer dieser Suchenden ist des Neffe von J.B.s Boß. Die Insel, ein einstiges Touristenparadies, daß nach einem Terroristenmassaker nur noch aus einigen Hotelruinen und einer Menge Regenwald besteht , ist einigen Expeditionsteilnehmern - wie auch der Sonderermittlerin Jaqueline als Zeugen des einstigen Gemetzels keine Unbekannte und wirkt immer noch recht bedrohlich. Und schnell findet die Expedition auch die Leichen der Truppe. Damit ist die Angelegenheit eigentlich erledigt, doch Jaquelines Boss bittet um Aufklärung. So bleibt sie alleine auf der Insel zurück und trifft auf jemanden, den sie hier nun wirklich nicht vermutete: ihre Vorgängerin Florence O'Brien und Mitglieder der SSSK. Was wollen die Gegner der Sonderermittlerin auf der Insel?


Meinung:
Jaqueline Berger back to the roots: zwei Drittel des flüssig zu lesenden Romans kann man getrost als Abenteuer bezeichnen, danach wird es dann nur wenige Kapitel lang gruselig, von Urlwaldgeistern ganz zu Schweigen. Und Abenteuer war ja das große Thema der Schatzjägerin J.B. Eigentlich rutscht die gesamte Handlung in den Hintergrund; vielmehr geht es in dieser Geschichte um die weitere Entwicklung der Figur Jaqueline Berger und ihrer Umgebung. Sie zieht Konsequenzen, die ihre Zukunft in andere Wege leiten soll und macht den Roman somit hauptsächlich serienhistorisch interessant. Außerdem wäre es wieder mal dienlich, wenn man vorher den Roman "Der Kelch von Avalon" vom Autor Gunter Arentzen gelesen hat, was sich ja wie ein roter Faden durch die gesamte Serie um Jaqueline Berger zieht.


Besonderheiten:
Erscheinungsdatum: März 2005
- erster Auftritt von Suzanne Wild, eine Privatdetektivin, die JB von früher kennt
- Jaqueline löst sich von ihrem eigentlichen Vertrag als Sonderermittlerin und zieht auf nach St.Kitts and Nevis


2 von 5 möglichen Kreuzen:
2 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Etwas Dschungel und eine verschmierte Totenfratze - sorry, aber das reicht nicht zum guten Cover!


Coverbewertung:
1 Kreuz