Gespenster-Krimi Nr. 567: Als der Meister starb
Das Wesen richtete sich mühsam auf, von einem unheiligen Zauber geweckt.
Jahrtausende hatte der Gigant geschlafen; hier unten, auf dem finsteren,
sandigen Grund des Meeres. Mit noch schwerfälligen, doch ungeheuer
kraftvollen Bewegungen strebte er nun dem Licht entgegen. Schon spürte
er die Nähe seines Opfers. Und wenige Augenblicke später sah er
die dunkle Silhouette des Schiffes über sich ...
von Wolfgang Hohlbein, erschienen am 24.07.1984, Titelbild: Les Edwards
Rezension
von Ulrich
Surendorf/Chapman:
Kurzbeschreibung:
Im Juli 1883 reist der 25jährige Robert Craven mit seinem Mentor Randolph
Montague von New York nach London. Robert ist als Findelkind bei einer Tante
aufgewachsen, die gestorben ist, als er sechzehn war. Seitdem hat er sich
mit kleinen Gaunereien über Wasser gehalten und will nun in England
ein neues Leben anfangen. Als das Schiff, auf dem die beiden reisen, von
einem dicken Nebel eingehüllt wird und sich aufgrund einer plötzlichen
Flaute nicht mehr bewegt, gerät Montague in Panik und spricht von einer
Gefahr, die ihn verfolgt, ohne nähere Erklärungen zu geben.
Tatsächlich erscheint ein schlangenförmiger Krakenarm, der das
Schiff beschädigt und einen der Matrosen in den Tod reißt. Nun
offenbart sich Montague seinem Schützling Craven: er erklärt, dass
er in Wirklichkeit Roderick Andara sei, den man in Amerika unter dem
berüchtigten Beinamen Der Hexer' kennt. Andara hatte mit einigen
anderen, die der schwarzen Magie mächtig waren, eine Stadt namens Jerusalems
Lot gegründet. Aus den umliegenden Dörfern haben sich schließlich
die Menschen zusammengerottet um die Hexer zu töten. Andara ist vor
dieser Gefahr geflohen, doch die anderen Hexer die sich verraten gefühlt
haben, haben einen Dämon gerufen, um Andara zu jagen: Yog-Sothoth, den
Schrecklichsten der Großen Alten. Dieses Wesen erscheint erneut, und
wieder müssen Matrosen sterben, bis es Roderick Andara gelingt, den
Dämon für einige Zeit in Schach zu halten, bis das Schiff an der
schottischen Küste an Land anlegen kann. Doch dann erscheint der Große
Alte wieder und zerstört das Schiff mit dutzenden von dämonischen
Tentakeln. Andara wird von dem Dämon tödlich verletzt, doch es
gelingt ihm, mit seiner letzten Kraft, Robert Craven, Bannermann, den
Kapitän des Schiffes und drei weitere Matrosen an Land zu bringen. Hier
offenbart Roderick Andara sein letztes Geheimnis: er ist der Vater von Robert
Craven und Robert hat die Kräfte des Hexers geerbt um sein Leben dem
Kampf gegen die Großen Alten zu widmen. Ein Partner in diesem
mörderischen Kampf wartet auf Robert in London; ein Mann namens Philipp.
Dann stirbt Andara. Und Robert Craven wird bewusst, wer er nun ist:
DER HEXER
Meinung:
Ich gehöre zu der Generation, die einige Jahre lang immer nur von dem
Mythos Der Hexer' gehört hat, bevor ich zum ersten Mal den Roman
Als der Meister starb' lesen konnte. Allein durch die vielen begeisterten
Fans hatte ich damals den Eindruck etwas ganz Großes zu lesen, zumal
ich damals einige richtig gute Hohlbein-Romane gelesen hatte. Für die
Leser des Gespenster-Krimis musste dieser Roman in einem anderen Licht
erscheinen, da damals nicht bekannt war, dass dieser Roman von Wolfgang Hohlbein
stammt und natürlich keiner ahnen konnte, was hier noch folgt. Aber
auch mit dem Wissen um den restlichen Verlauf der Serie schlägt einen
dieser Roman sofort in seinen Bann. Die unheimliche Atmosphäre des Nebels
und der unerklärlichen Flaute wird hier so gekonnt vermittelt, dass
ich kaum gemerkt habe, wie die Zeit vergeht und ich eine Seite nach der anderen
umgeblättert habe. Dass die Geschichte dabei aus der Perspektive von
Robert Craven in der ersten Person erzählt wird, tut ein Übriges
dafür, dass man sich ganz in den Roman versenken kann. Robert Craven
wird dabei so intensiv beschrieben, dass er einem trotz seines Lebenswandels
sehr sympathisch wirkt. Selbst Roderick Andara kommt hier als Guter'
rüber, obwohl als Meister der schwarzen Magie nach dem Grundmuster des
Heftromans ja eigentlich ein Böser' sein müsste
:o)
Allerdings fand ich die Szenen aus Jerusalems Lot ein wenig störend,
da sie immer die spannende Handlung an Bord der Lady of the Mist'
unterbrochen haben. Außerdem habe ich diesen Handlungsstrang erst richtig
verstanden, als er Robert Craven von Andara erklärt wurde. Alles in
allem ein sehr salziger Roman: er schmeckt nach mehr
Besonderheit:
Erster Hexer-Roman.
Erster Auftritt von Yog-Sothoth.
Dieser Roman wurde von Wolfgang Hohlbein geschrieben.
5 von 5 möglichen Kreuzen:

Kommentare zum Cover:
Wolfgang Hohlbein hat ja gesagt, dass ihn dieses Bild so sehr fasziniert
hat, dass er einfach einen Roman dazu schreiben musste. Ich kann das gut
verstehen. Das Bild zeigt Roderick Andara, der in dieser Geschichte allerdings
nicht von zwei Augen beobachtet wird.
Coverbewertung:
Rezension von
Stefan (Lobo)
Albertsen:
Kurzbeschreibung:
Die Geschichte beginnt für den Leser am 24. Juli 1883. Seit mehr als
35 Tagen reist die LADY OF THE MIST - ein Viermaster - England entgegen.
Just an diesem Hochsommertag gerät das Schiff, welches von New York
aufbrach, in eine gnadenlose Flaute und wird von dichtem, unwirklich
erscheinenden Nebel umgeben. An Bord befinden sich ausser der Mannschaft
zwei Reisende. Randolph Montague - ein geheimnisvoller Mann mit
aussergewöhnlichen Fähigkeiten - und sein Begleiter der 24jährige
Robert Craven, den Montague unter seine Fittiche nahm, nachdem dieser - erfolglos
- versucht hatte ihn zu bestehlen. Während Montague durch eine eigenartige
Krankheit an seine Koje gefesselt wird, beschleichen Craven ungute Gefühle,
die noch verstärkt werden, als er vermeint im Nebel etwas Grünes
und Tentakelartiges zu erkennen. Montague ist bestürzt, als Robert ihm
erzählt, dass der Nebel und eine Flaute sie aufhalten und versucht den
Kapitän des Schiffes - einen Mann namens Bannerman - dazu zu überreden
den Viermaster mit Ruderbooten anzutreiben. Doch dazu soll es nicht kommen,
denn ein Matrose wird von ... ETWAS .... ins Wasser gezogen und nach und
nach geschehen noch mehr schreckliche Dinge auf und rund um die LADY. Montague
scheint zu genesen, und setzt unvorstellbare Kräfte ein, um für
Wind zu sorgen, was jedoch dazu führt, dass das ETWAS im Meer sie noch
vehementer angreift. Es gibt viele Tote und die LADY wird beschädigt.
Montague offenbart seine wahre Identität. Er heisst eigentlich Roderick
Andara und ist ein Hexer, der in den Staaten und auch darüber hinaus
verpönt und gehasst wird. Andara erzählt Robert dass sein
Großvater aus dem Ort Salem stammte, dessen Bewohner sich uraltes,
geheimnisvolles Wissen bewahrten und dass aufgebrachte Menschen aus den
umliegenden Dörfern die Stadt der Hexen - wie sie auch genannt wurde
- in einer einzigen Nacht niederbrannten und die Bevölkerung ausrotteten.
Die Überlebenden siedelten sich weit entfernt erneut an und nannten
ihre neue Heimat Jerusalems Lot. Doch auch hier wiederholte sich das Geschehen.
Hass und Unverständnis brachte die Menschen der Umgebung dazu die
Geschehnisse von damals zu wiederholen. Andara floh vorzeitig und liess seine
Heimat zurück, womit er den Zorn der verbliebenen vier Grossmeister
des Ortes auf sich zog. Sie beschworen die GROSSEN ALTEN und entsandten einen
von ihnen - Yog-Sothoth - um Andara zu verfolgen und zu bestrafen. Nun, nach
über 20 Jahren sollte dies endlich geschehen, und ohne es zu wollen
hatte Andara die Männer an Bord der LADY in tödliche Gefahr gebracht.
Die Situation wird immer auswegloser und als Yog-Sothoth die getöteten
Seeleute wieder auferstehen lässt und diese Robert attackieren, weil
er gewissermaßen als Kraftquelle für den geschwächten Andara
dient, opfert sich der Hexer in einem letzten verzweifelten Akt. Die LADY
OF THE MIST geht vor der schottischen Küste unter und ausser Robert
überleben nur noch Bannermann, zwei seiner Männer und Roderick
Andara. Doch Andara ist dem Tod geweiht und während seiner letzten
Augenblicke auf Erden offenbart er Robert, dass er sein wirklicher Vater
ist, der ihn einst, um ihn zu schützen, bei einer liebenswerten alten
Dame namens Maude Craven zurückliess und ihn später suchte und
letztlich fand, und das er - Robert - nun der Erbe der Macht sein würde.
Andara stirbt und Robert fühlt bereits dieses verfluchte Erbe in sich
erwachen. Vorsichtig tastend zunächst, doch immer stärker werdend.
Der Fluch geht vom Vater auf den Sohn über und besiegelt das Schicksal
Robert Cravens.
Meinung:
Was soll man zu einem solchen Roman sagen? Superlative gibt es viele und
ich bin der Meinung, man kann die meisten von ihnen auf dieses Werk anwenden.
Ja, wirklich! Wolfgang Hohlbeins Geschichte über einen Mann, der einen
unheilvollen Fluch und gleichzeitig immense magische Kräfte von seinem
Vater übertragen bekommt und sich mit Mächten jenseits jedweder
Vorstellungskraft auseinanderzusetzen hat, birgt zahlreiche Facetten, die
der Autor auch gekonnt und genussvoll ausspielt. Da haben wir Drama,
Tragödie, Action, Horror und selbstverständlich - wenn auch stark
dosiert - Humor. Hohlbein nimmt uns mit an Bord der LADY OF THE MIST, wo
wir den schier ausweglosen Kampf mehrerer Menschen gegen eine titanische
Gestalt miterleben können. Wenn Tentakelarme, einem Wald gleichkommend,
aus den Tiefen des Meeres emporragen, Menschen packen und töten oder
tote Seeleute zu untotem Leben erwachen, vermag das bei anderen Schriftstellern
belanglos und abgekupfert klingen. Nicht aber bei Wolfgang Hohlbein. Diese
Szenen stellen grusel- und horrortechnisch die Höhepunkte des vorliegenden
Romans dar und schaffen eine bedrohliche und angsteinflössende
Atmosphäre. Durch die Begrenztheit des Raumes (alle sind auf einem
Segelschiff quasi gefangen) wird die Geschichte fast schon zu einem
nervenaufreibenden Horror-Kammerspiel. Und die Nebenhandlung, welche beschreibt,
wie in der letzten Nacht Jerusalems Lot dessen Bewohner und somit auch die
Grossmeister der Macht (Quenton, Andara, Lyssa und Lennard) umkommen oder
von den heraufbeschworenen Mächten gewissermassen ausgesogen werden,
rundet dieses Meisterwerk - wie ich es mal nennen möchte - ab. Auch
über 20 Jahre nach Ersterscheinung hat dieser erste "DER HEXER"-Roman
nichts von seiner Intensität und Spannung verloren. Ein mehr als
würdiger Auftakt zu einer beispiellosen Saga. Wie gerne würde ich
sechs Kreuze geben!
Besonderheiten:
Erster "DER HEXER"-Roman
Erster Auftritt Robert Cravens.
Erster Auftritt Yog-Sothoths.
5 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Passend zu einem Spitzenroman ist natürlich das Spitzencover von Les
Edwards, auf dem Roderick Andara, auf seinen legendären Stockdegen
gestützt, in entsprechender Pose und mit dem deutlich erkennbaren Stigma
der Macht (seiner blitzförmig gezackten, schneeweissen Haarsträhne)
versehen, zu sehen ist. Auch wenn keine Monster oder GROSSEN ALTEN darauf
erkennbar sind besitzt das Cover eine unheimliche Ausstrahlung, die
Gänsehaut zu erzeugen in der Lage ist. Die bedrohlichen Augen im Hintergrund
verstärken diesen Eindruck sogar noch etwas. Hier gebe ich gerne
Coverbewertung:
Zusatzhinweise zu dem Cover kommen von Michael Schick:
Das Titelbild wurde ebenfalls für das Cover des Buches "The devil's
footsteps" von John Burke verwendet.
Auch auf dem Cover des französischen Romans "ANTICIPATION" war es schon
abgebildet:
Ein weiterer Hinweis kommt von Holger:
Das gleiche Titelbild wurde spiegelverkehrt auch auf dem Vampir-Horror-Roman
Nr. 344 verwendet: