Gespenster-Krimi Nr. 55: Das Grauen aus dem Eis
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Mißmutig tappte Ramon de Ybarra den Weg zum Schloß hinauf. Der
Auftritt bei seinem Bruder Esteban war besonders unangenehm. Schon Estebans
bloße Anwesenheit genügte, um Ramon mit Ärger, Unwillen und
Abscheu zu erfüllen. In schlimme Gedanken versunken, halblaut vor sich
hin schimpfend, beachtete Ramon den allmählich näher kommenden
Sprechsingsang nicht. Erst als der Urheber dieser Laute nur noch wenige Meter
von ihm entfernt war, durch die Büsche an der Wegbiegung in der mondhellen
Nacht seinen Blicken verborgen, blickte Ramon auf. Es war eine fremde Sprache,
in der der Mann sprach und sang. Ramon verstand die Worte und Gesänge
nicht, aber instinktiv erfaßte er deren Sinn. Ein nie geahntes Grauen
überkam ihn. Seine Muskeln versteiften sich, die Nackenhaare richteten
sich auf, und es überlief ihn eiskalt. Das Zirpen der Grillen rundum
verstummte. Die linde Luft schien schwer und drückend zu werden wie
Blei. Selbst die Sterne am Himmel schienen sich zu verändern. Waren
sie zuvor noch helle, strahlende Lichter am Nachthimmel gewesen, so erschienen
sie Ramon jetzt wie bedrohliche Punkte, die die Umrisse von dämonischen
Fratzen und Grimassen bezeichneten.
von Brian Elliot, erschienen am 01.10.1974
Rezension von
Frithjof:
Kurzbeschreibung:
Das deutsche Geschwisterpaar Frank und Sabine Müller wollen ihre
Semesterferien auf Schloß Aguila verbringen, daß dem spanischen
Conde de Yabarra gehört. Frank hat sich in Antonia, die in Deutschland
studierende Tochter das Conde verliebt und wurde von ihr nach Spanien eingeladen.
Wenige Stunden nach ihrer Ankunft müssen die Müller erkenne, daß
auf dem Schloß und seiner Umgebung schreckliche Dinge geschehen. Kurz
vor ihrer Ankunft wurde der Bruder des Conde brutal abgeschlachtet. Nun
hört man unheimliche Gesänge zum monotonen Schlag einer fremdartigen
Trommel durch die Nacht hallen. Riesige Werwölfe jagen nach Opfern und
ein, an einen Eisbär erinnerndes Monster verbreitet Angst und Schrecken.
Steckt hinter den Spuk der ältere Bruder des Conde, welcher wegen seines
Lebenswandels enterbt wurde und der nun ein armseliges Leben führen
muss?
Meinung:
Eins muß man Brian Elliot lassen: er kann verdammt spannende Romane
schreiben. Dieser Roman ist da keine Ausnahme. Obwohl die Story sehr actionreich
ist, gelingt es Elliot dennoch, der Handlung eine bedrückende, bisweilen
Lovecraft´sche Atmosphäre zu geben. Hier gibt es keine coolen Helden
die sich mit Bravado den Mächten der Finsternis stellen. Statt dessen
werden die Protagonisten immer mehr zermürbt, bis bei allen die Nerven
blank liegen. Wenn Sabine Müller sich in ein grauenhaftes Monster
verwandelt, den Sohn des Conde brutal ermordet und danach den Verstand verliert,
geht das sogar richtig unter die Haut. Der Roman wartet nur mit einem sehr
halbherzigen Happy-End auf, wenn man es überhaupt als solches bezeichnen
kann. Das ist konsequent und hebt sich wohltuend von der Masse ab.
Erstklassig.
Besonderheiten:
Dieser Roman wurde von Walter Appel geschrieben, der auch unter Earl Warren
sehr spannende Romane für die Vampir- und Dämonenkiller-Reihen
geschrieben hat.
5 von 5 möglichen Kreuzen:

Kommentare zum Cover:
Hat zwar nicht unbedingt was mit den Inhalt zu tun, trifft aber irgendwie
die Atmosphäre der Story sehr gut.
Coverbewertung:

Ein Zusatzhinweis zu dem Cover kommt von Michael Schick:
Das Titelbild des Gespenster-Krimi Romans Nr. 55 war zuvor auch schon auf
dem Einband des spanischen Comic-Magazins TERROR Nr. 23 verwendet worden: