John Sinclair Nr. 400: Jenseits-Melodie
Er trug eine Allonge-Perücke, ein weißes Hemd mit weiten Ärmeln,
eine Weste aus kostbaren Brokatstoff darüber, eine Kniebundhose aus
schwarzem Samt, helle Strümpfe, Schnallenschuhe und in der rechten Hand
ein Schwert mit blutbefleckter Klinge. Er hatte die breite Tür lautlos
geöffnet, stand auf der Schwelle und schaute auf den Rücken des
dunkelhaarigen Mannes, der vor seinem Flügel saß und wie
selbstvergessen musizierte. Die Umgebung interessierte ihn nicht, allein
die Musik war es, die ihn in andere Welten entführte, die nur er sah
und die ihn seinen Träumen so nahekamen. Und gedankenverloren spielte
er die Melodie, die ihm in der vergangenen Nacht während eines Traums
eingefallen war.
von Jason Dark, erschienen am 03.03.1986, Titelbild: J.K. Potter
Rezension
von Ulrich
Surendorf/Chapman:
Kurzbeschreibung:
John Sinclair will sich nach seinen letzten Abenteuern einen gemütlichen
Abend in einem Pub machen, der jedoch jäh unterbrochen wird, als dort
ein Lied gespielt wird, das John sehr gut kennt: die Flötenmelodie des
Roten Ryan! Diesmal allerdings als Klavierstück. John geht der Sache
nach und erfährt, dass ein junger aufstrebender Pianist aus Wien namens
Hans Conrad, genannt Hanco, die Platte aufgenommen hat. Allerdings wurde
dieser in der letzten Nacht ermordet - und zwar von einem Horrorgebilde,
das aus einer Hand mit einem angewachsenen Kopf besteht. John und Suko fliegen
sofort nach Wien, um dort ihre Nachforschungen anzustellen. Bei Hancos
Produzenten Franz Rille erfahren sie, dass auch er von der "Kopf-Hand"
angegriffen wurde, als er die Melodie des Roten Ryan gespielt hat. Er wurde
gewarnt, nie wieder diese Melodie zu spielen. Von Rille erfahren John und
Suko, dass Hanco Kontakt zu einer geheimnisvollen Frau namens Judith gehabt
hat. Mit ihrem österreichischen Kollegen Baric suchen die beiden
Geisterjäger Judith auf. Sie erfahren von der Frau, dass vor Jahrhunderten
der Magier und Komponist Manfredo Cardinal Kontakt zu Aibon und dem Roten
Ryan hatte und die Melodie des geheimnisvollen Flötenspielers mit in
die normale Welt genommen hat. Der Kaiserin hat diese Melodie nicht gefallen
und sie hat Cardinal verboten, sie weiterhin zu spielen. Als dieser das Verbot
ignoriert hat, ließ die Kaiserin ihn von ihrem Henker köpfen und
die rechte Hand abschlagen. Durch den Kontakt zu Aibon starb Cardinal jedoch
nicht, sondern wurde zu dem Horrorgebilde aus Hand und Kopf. Judith hat die
Noten des Manfredo Cardinal gefunden und sie Hanco gegeben. Das hat Cardinal
auf den Plan gerufen, der nicht will, dass die Melodie weiterhin gespielt
wird. Judith hingegen hat durch das Klavierspiel ebenfalls einen Weg nach
Aibon gefunden und einen Garten mit Menschen fressenden Pflanzen aus dem
Land der Druiden eingerichtet. Hier will sie nun John und Suko töten
lassen. Auch Manfredo Cardinal und Hanco, der ebenfalls zu einem Gebilde
aus Hand und Kopf geworden ist, erscheinen. John kann die die beiden
Horrorgeschöpfe vernichten. Zuvor hat Hanco allerdings noch Judith
versehentlich mit einem Schwert geköpft, wodurch auch der Aibon-Garten
vergeht.
Meinung:
Dies ist seit Bestehen der Serie der erste Einzelroman in einem 100er-Band.
Mir hat die Geschichte gut gefallen, weil hier erst ziemlich zum Schluss
die wahren Hintergründe zu Tage kommen und weil die Vorstellung, der
"Kopf-Hand" zu begegnen wirklich gruselig ist. Da wird die Vorstellungskraft
durch das realistisch gemalte Titelbild natürlich auch besonders angeregt.
Dass Judith, die ja schon sehr zu Anfang einmal auftaucht, so tief in die
Geschehnisse verwickelt ist, hätte ich nicht gedacht; das war eine ganz
schöne Überraschung. Aber konnte eine Kaiserin wirklich jemanden
- noch dazu einen so berühmten Mann wie Manfredo Cardinal - einfach
so töten lassen, weil ihr seine Musik nicht gefiel?
Besonderheiten:
In diesem Band erinnert sich John an seine Studentenzeit und sein Abenteuer
mit Gilda Osborne, das er mit Bill erlebt hat (s. Mein erster Fall'
im Paperback 1
Hexenküsse'). Damit hat diese Geschichte offiziell Einzug in die
Serienhistorie erhalten, was dem Roman Das Phantom von Soho'
(Gespenster-Krimi
Band
129; Band 29 der Nachauflagen) widerspricht, in dem ebenfalls das erste
Kennenlernen von John und Bill geschildert wird.
Zeitpunkt der Handlung: Oktober 1985
Mit diesem Roman erschien die zweite Auflage Band 223 Die
Werwolf-Sippe'.
Die zweite Auflage dieses Romans erschien am 18.06.1996.
Ein weiterer Nachdruck dieses Romans erschien im September 2004 im
Jubiläumsband
50 Totentanz'.
3 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Das Bild zeigt Manfredo Cardinal auf seinem Klavier. Eines der gruseligsten
Bilder überhaupt.
Coverbewertung:
Zusatzhinweise zu dem Titelbild kommen von Michael Schick:
Das Titelbild wurde auch schon auf dem Cover des amerikanischen Magazins
"NIGHT CRY" von 1985 verwendet.
Außerdem diente es auch schon der spanischen Horror-Kurzgeschichtensammlung
HORROR 6 (mit Werken von Stephen King und anderen Autoren) als Cover:
Auch auf der italienischen Publikation "MALEDIZIONE FATALE - THE LIGHT AT
THE END" (1986) von John Skipp und Craig Spector war das Motiv schon verwendet
worden:
Und spiegelverkehrt war es außerdem auch noch auf dem Cover der CD
Rock'n'Metal abgebildet: